Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
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2.3 Keine Aufklärungspflichten einer Bank<br />
bei Festpreisgeschäften<br />
(BGH, Urt. v. 26.06.2012, XI ZR 259/11, XI<br />
ZR 316/11, XI ZR 355/10 <strong>und</strong> XI ZR 356/10)<br />
Sachverhalt<br />
In den vier vom BGH am 26.06.2012 entschiedenen<br />
Verfahren ging es erneut um Schadenersatzklagen<br />
von Anlegern, die Zertifikate von Lehman-Brothers<br />
in unterschiedlicher Höhe erworben hatten. Die<br />
Schadenersatzklage richtete sich jeweils gegen dieselbe<br />
Bank. Die Anleger erwarben im Februar 2007<br />
die Zertifikate. Mit der Insolvenz der Emittentin im<br />
September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate<br />
weitgehend wertlos. In allen Fällen erhielt die in Anspruch<br />
genommene Bank von der Emittentin eine<br />
Vertriebsprovision von 3,5 %, die sie den Anlegern<br />
nicht offenbarte.<br />
Entscheidung<br />
Die Vorinstanzen hatten den jeweiligen Klagebegehren<br />
überwiegend stattgegeben. Sie hatten angenommen,<br />
dass es hierbei keine Rolle spiele, ob<br />
die Bank die Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäftes<br />
oder eines Kommissionsgeschäftes angeboten<br />
habe. Bei einem Kommissionsgeschäft folge<br />
die Pflichtverletzung der Bank auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />
<strong>Recht</strong>sprechung, die fordert, über Rückvergütungen<br />
aufzuklären. Beim Festpreisgeschäft hätte die Bank<br />
auf ihre Verkäuferstellung <strong>und</strong> einen daraus folgenden<br />
Interessenkonflikt hinweisen müssen.<br />
Der BGH folgte diesen Begründungen nicht. Bei<br />
Festpreisgeschäften (Eigengeschäften) müsse eine<br />
Bank weder über ihre Gewinnmarge noch über den<br />
Umstand, dass es sich um ein Eigengeschäft handelt,<br />
aufklären. Bei einem Kommissionsgeschäft bestehe<br />
keine Aufklärungspflicht über eine allein von<br />
der Emittentin an die Bank gezahlte Vergütung. Es<br />
fehle an dem Umstand, dass Vertriebsprovisionen<br />
offen ausgewiesen seien <strong>und</strong> aus diesen offen ausgewiesenen<br />
Vertriebsprovisionen eine Rückvergütung<br />
erfolge. Offen blieb die Frage, ob eine Aufklärungspflicht<br />
einer Bank besteht, wenn der K<strong>und</strong>e<br />
eine Kommissionsgebühr oder einen ähnlichen Aufschlag<br />
an die Bank bezahlt <strong>und</strong> die Bank zusätzlich<br />
eine Vergütung von der Emittentin erhält.<br />
Weil die Anleger jeweils noch weitere Pflichtverletzungen<br />
behauptet hatten, über die die Vorinstanzen<br />
nicht entschieden hatten, wurden die den Klagen<br />
stattgebenden Berufungsurteile aufgehoben. Die<br />
Verfahren wurden zum Zwecke der weiteren Sachverhaltsaufklärung<br />
an die Vorinstanzen zurückverwiesen.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Fazit<br />
Der BGH bestätigt im Hinblick auf die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
bei einem Festpreisgeschäft seine Entscheidungen<br />
vom 27.09.2011. Bei Kommissionsgeschäften, bei<br />
denen der K<strong>und</strong>e die Bank nicht extra bezahlt, muss<br />
eine Bank auch nicht über die Vergütung, die sie<br />
vom Emittenten erhält, aufklären. Es können sich<br />
aber in allen Fällen Schadenersatzansprüche ergeben,<br />
wenn der K<strong>und</strong>e nicht anlage- oder anlegergerecht<br />
beraten worden sein sollte. Über solche individuellen<br />
Beratungspflichtverletzungen war in den<br />
Vorinstanzen nicht entschieden worden.<br />
2.4 B<strong>und</strong>esverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde<br />
einer Bank, die wegen<br />
Kick-Backs zum Schadenersatz ver-<br />
urteilt wurde, zurück<br />
(BVerfG, Beschl. v. 08.12.2011, 1 BvR 2514/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Kreditinstitut war vom OLG Celle zur Leistung<br />
von Schadenersatz verurteilt worden, weil die Bank<br />
gegenüber einem Anleger, dem sie Fondsbeteiligungen<br />
vermittelt hatte, verschwieg, dass sie sich<br />
wegen an sie geflossener Rückvergütungen in<br />
einem Interessenkonflikt bef<strong>und</strong>en hat. Der BGH<br />
hatte die gegen die OLG-Entscheidung erhobene<br />
Revision zurückgewiesen. Die Bank erhob Verfassungsbeschwerde<br />
<strong>und</strong> rügte die Verletzung ihrer<br />
<strong>Recht</strong>e aus dem allgemeinen Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz,<br />
der Berufsausübungsfreiheit, ihrem <strong>Recht</strong> auf den<br />
gesetzlichen Richter <strong>und</strong> wegen Verletzung des Anspruchs<br />
auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde<br />
durch einstimmigen Beschluss nicht zur<br />
Entscheidung angenommen.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht verneinte eine gr<strong>und</strong>sätzliche verfassungsrechtliche<br />
Bedeutung, aber auch zugleich<br />
die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde.<br />
Eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit ist<br />
zu verneinen. Das Kick-Back-Urteil des BGH vom<br />
19.12.2006 (XI ZR 56/05) enthalte keine <strong>Recht</strong>sprechungsänderung,<br />
die unter dem Gesichtspunkt<br />
rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes bedenklich<br />
sein könnte. Es gab zuvor keine höchstrichterliche<br />
<strong>Recht</strong>sprechung, die der neuen Entscheidung<br />
entgegenstünde. Der BGH habe vielmehr eine<br />
bereits angelegte <strong>Recht</strong>sprechungslinie fortgeführt.<br />
Schon in den Jahren 1989 <strong>und</strong> 1990 habe der BGH<br />
in zwei Entscheidungen bei Warentermingeschäften<br />
verheimlichte Kick-Back-Vereinbarungen zwischen<br />
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