Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
64<br />
Andere EU-Staaten hätten ihrerseits keine durchgreifenden<br />
europarechtlichen Bedenken geltend<br />
gemacht <strong>und</strong> insbesondere keinen Anlass gesehen,<br />
eine Vorab-Entscheidung des EuGH herbeizuführen.<br />
Das Gericht sieht des Weiteren keine Parallelen zur<br />
sog. Heininger-Entscheidung. In der „Heininger-<br />
Entscheidung“ ging es um die Frage, ob das in der<br />
Haustürgeschäft-Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht<br />
ohne Befristungsmöglichkeit vom deutschen<br />
Gesetzgeber richtig umgesetzt wurde, indem der<br />
deutsche Gesetzgeber eine solche Befristung vornahm.<br />
Der europäische Gesetzgeber sah hingegen<br />
überhaupt kein Widerrufs- oder gar Widerspruchsrecht<br />
als Instrument zur Verwirklichung des Verbraucherschutzes<br />
bei Abschluss von Versicherungsverträgen<br />
vor. Wenn nun der deutsche Gesetzgeber<br />
ein solches Instrument eingesetzt habe, könne er<br />
sich demnach nicht von entsprechenden europarechtlichen<br />
Vorgaben unzulässig entfernt haben.<br />
Sodann setzt sich das Gericht noch intensiv mit<br />
den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zur<br />
Dritten Richtlinie Lebensversicherung auseinander.<br />
Hierbei ging es um den Ausgleich widerstreitender<br />
Verbraucher- <strong>und</strong> Unternehmerinteressen. Durch<br />
das Policenmodell wird der Verbraucherschutz nicht<br />
ernsthaft gefährdet, sinnentleert oder in erheblichem<br />
Maß geschmälert, sondern es wird in einem<br />
ausgewogenen Maß den verschiedenen Interessen<br />
Rechnung getragen.<br />
Fazit<br />
Der Beschluss des OLG Stuttgart ist ein klares Bekenntnis<br />
zur Wirksamkeit des Policenmodells,<br />
welches in Deutschland zwischen 1994 <strong>und</strong> 2008<br />
möglich war. Ein für das Gericht wesentlicher Gesichtspunkt<br />
ist hierbei, dass einem Versicherungsnehmer<br />
die Verbraucherinformationen pp. mit dem<br />
Versicherungsschein übermittelt worden sind. Nicht<br />
streitrelevant war dagegen die vom BGH dem EuGH<br />
vorgelegte Frage, ob es mit dem EU-<strong>Recht</strong> vereinbar<br />
ist, wenn dem Versicherungsnehmer überhaupt keine<br />
Unterlagen ausgehändigt wurden.<br />
Bildquelle: © Joachim Wendler - Fotolia.com<br />
8. Zur Frage der Verteilung der Abschluss-<br />
<strong>und</strong> Vertriebskosten in zertifizierten<br />
Altersvorsorgeverträgen<br />
(BGH, Urt. v. 07.11.2012, IV ZR 292/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anbieter von Riester-Produkten bietet u.a.<br />
fondsbasierte Altersvorsorgelösungen an. Die<br />
dabei verwendeten Geschäftsbedingungen informieren<br />
den Interessenten, dass die Abschluss- <strong>und</strong><br />
Vertriebskosten während der ersten fünf Laufzeitjahre<br />
anteilig von den regelmäßigen Beiträgen<br />
einbehalten werden. In Höhe dieser Einbehalte<br />
werden keine Fondsanteile erworben.<br />
In dieser Klausel sieht ein Verbraucherschutzverband<br />
eine unangemessene Benachteiligung<br />
des Versicherungsnehmers (Anlegers), weil diese<br />
Regelung mit § 125 InvG unvereinbar sei. Nach<br />
dieser Bestimmung ist im ersten Laufzeitjahr der<br />
für die Kostendeckung einzubehaltende Betrag<br />
auf 1/3 der regelmäßigen Beiträge begrenzt. Für<br />
die gesamte übrige Laufzeit des Anlageproduktes<br />
sind die Kosten gleichmäßig zu verteilen.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH wies die auf Unterlassung der Verwendung<br />
der Klausel gerichtete Klage ab. Einschlägig<br />
für die in Rede stehenden Altersvorsorge-Fondssparpläne<br />
ist nicht § 125 InvG. Vielmehr darf sich<br />
der Anbieter bei seinen Altersvorsorgeprodukten<br />
hinsichtlich der Kostenvorausbelastung an § 1<br />
Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz<br />
(AltZertG) orientieren. Ein Altersvorsorgevertrag<br />
im Sinne dieses Gesetzes setzt<br />
u.a. voraus, dass die angesetzten Abschluss- <strong>und</strong><br />
Vertriebskosten gleichmäßig mindestens auf die<br />
ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden, soweit<br />
sie nicht als Prozentsatz von den Altersvorsorgebeiträgen<br />
abgezogen werden. Des Weiteren<br />
weist der BGH auf den Entwurf eines Gesetzes<br />
zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der<br />
privaten Altersvorsorge hin. Durch dieses Gesetz<br />
soll ein § 2a in das AltZertG eingefügt werden,<br />
der klarstellt, dass bei Altersvorsorgeverträgen<br />
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 die Spezialvorschrift gegenüber<br />
§ 125 InvG ist.<br />
Fazit<br />
Eine in zertifizierten Altersvorsorgeverträgen verwendete<br />
Klausel, nach der die Abschluss- <strong>und</strong><br />
Vertriebskosten gleichmäßig auf die ersten fünf<br />
Laufzeitjahre verteilt werden, benachteiligt Anleger<br />
nicht unangemessen.