Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
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Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
74<br />
Was bedeutet die sogenannte Vermutung<br />
„aufklärungsrichtigen Verhaltens“?<br />
Derjenige, der sich eines Anspruchs rühmt, muss gr<strong>und</strong>sätzlich die dafür erforderlichen Voraussetzungen<br />
darlegen <strong>und</strong> im Streitfall auch beweisen können. In manchen Fällen stellen aber Gesetz<br />
oder Richterrecht Beweiserleichterungen auf, die bis zur Umkehr der Beweislast reichen können.<br />
So ist nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten<br />
verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß<br />
verhalten hätte. Er muss also beweisen, dass ein Geschädigter den Rat oder Hinweis unbeachtet<br />
gelassen hätte (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 22.03.2011, XI ZR 33/10 oder v. 12.05.2009, XI ZR 586/07).<br />
Man spricht hier von der sog. „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Diese Vermutung gilt für<br />
alle aufklärungs- <strong>und</strong> Beratungsfehler eines Anlageberaters. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um<br />
eine Beweiserleichterung, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende Vermutung. Diese Vermutung<br />
ist widerleglich. Zu widerlegen ist sie allerdings vom Aufklärungspflichtigen.<br />
Lange Zeit hatte diese vor allem vom B<strong>und</strong>esgerichtshof geprägte <strong>Recht</strong>sprechung die Beweislastumkehr<br />
davon abhängig gemacht, dass es für einen Vertragspartner nicht mehrere, sondern vernünftigerweise<br />
nur eine Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gab. Eine Aufklärung durfte nicht zur<br />
Folge haben, dass sich der aufzuklärende in einem Entscheidungskonflikt bef<strong>und</strong>en hätte. Für Aufklärungspflichtverletzungen<br />
im Fall der Anlageberatung hält die <strong>Recht</strong>sprechung daran nicht mehr fest.<br />
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise<br />
nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Der B<strong>und</strong>esgerichtshof begründet dies damit, dass das<br />
Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr<br />
nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10 unter ausdrücklicher Aufgabe der<br />
früheren <strong>Recht</strong>sprechung, z.B. im Urt. v. 16.11.1993, XI ZR 214/92).<br />
„Der Zweck der Aufklärungspflichten, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über<br />
den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen, wird deshalb auch - oder erst recht<br />
- in solchen Fällen, in denen die Aufklärung der Information zur freien Entscheidung des<br />
Anlegers dient, nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung<br />
bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen.“<br />
(vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, a.a.O. Rn. 36).<br />
Dass jedenfalls bei der Beratung durch Banken verheimlichte Rückflüsse offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen<br />
aufklärungspflichtig sind, ist seit vielen Jahren ständige <strong>Recht</strong>sprechung. Heute<br />
geht es meist um die Frage, ob die Pflichtverletzung für die Anlageentscheidung kausal war. Hier<br />
können sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität sowohl aus dem vorangegangenen als<br />
auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012,<br />
Rn. 50). Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende<br />
Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten<br />
hat, kann ein Indiz dafür sein, dass es an der Kausalität zwischen<br />
Pflichtverletzung <strong>und</strong> Schaden fehlt.<br />
Die <strong>Recht</strong>sprechung spricht hier von der Würdigung von<br />
Hilfstatsachen, die den Schluss darauf zulassen, der Anleger<br />
hätte die empfohlene Kapitalanlage auch bei erbrachter Aufklärung<br />
erworben.<br />
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