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Recht und Urteile - WMD Brokerchannel

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Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

56<br />

mer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt.<br />

Hiernach muss ein Versicherungsnehmer ihm<br />

bekannte erhebliche Gefahrumstände, nach denen<br />

der Versicherer in Textform gefragt hat, diesem anzeigen.<br />

Das Gericht verneinte allerdings ein Rücktrittsrecht<br />

des Versicherers, weil Ges<strong>und</strong>heitsfragen,<br />

die ein Versicherungsmakler stellt, dem Versicherer<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zuzurechnen sind.<br />

Der Versicherer hatte sich darauf berufen, der Vermittler<br />

sei Mehrfachagent. Schon deshalb seien die<br />

vom Vermittler gestellten Fragen als Fragen des<br />

Versicherers anzusehen. Vertragliche Beziehungen<br />

zwischen Versicherer <strong>und</strong> Vermittler sind aber irrelevant,<br />

soweit es um die Frage geht, welchen Status<br />

ein Vermittler für den Versicherungsnehmer hat.<br />

Tritt ein Versicherungsvermittler als „unabhängiger<br />

Finanzoptimierer“ auf, handelt er nach außen als<br />

Makler. Bei einem als Makler auftretenden Mehrfachagenten<br />

ist aus Gründen der <strong>Recht</strong>ssicherheit<br />

zu fordern, dass die Agentenstellung offengelegt<br />

wird. Nur dann können Fragen des Vermittlers dem<br />

Versicherer zugerechnet werden. Des Weiteren ist<br />

es dem Versicherungsnehmer nicht anzulasten,<br />

wenn ihm sein Versicherungsmakler verdeckt als<br />

Mehrfachagent gegenübertritt, ohne über die daraus<br />

folgende Interessenkollision aufzuklären.<br />

Fazit<br />

Tritt ein Vermittler als Pseudomakler auf, muss sich<br />

der Versicherer diesen Umstand zurechnen lassen.<br />

Auf das Vertragsverhältnis zwischen ihm <strong>und</strong> dem<br />

Pseudomakler kommt es nicht an. Ges<strong>und</strong>heitsfragen,<br />

die ein Pseudomakler stellt, können nur dann<br />

als Fragen des Versicherers gelten, wenn sich der<br />

Versicherer die Fragen zu eigen macht, was für den<br />

Versicherungsnehmer bei der Antragsaufnahme ersichtlich<br />

sein muss.<br />

Bildquelle: © fotogestoeber - Fotolia.com<br />

9. Zur Frage der Verantwortlichkeit einer<br />

Vertriebsorganisation für ein strafbares<br />

Verhalten ihres Handelsvertreters<br />

(BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger erwarb auf Empfehlung eines Handelsvertreters<br />

eines großen deutschen Strukturvertriebs<br />

Anteile an Aktienfonds. Er leistete längere<br />

Zeit monatliche Zahlungen zum Erwerb von<br />

Aktienfondsanteilen. Schon im Kontoeröffnungsantrag<br />

hatte der Anleger die Fondsverwaltungsgesellschaft<br />

ermächtigt, sowohl dem Handelsvertreter<br />

als auch dessen Prinzipal Anlegerdaten zu<br />

übermitteln.<br />

Drei Jahre nach Kontoeröffnung hatte der Handelsvertreter<br />

die Fondsanlage aufgelöst. Dabei<br />

hatte er die Unterschrift des Anlegers gefälscht<br />

<strong>und</strong> den Verkaufswert auf sein Privatkonto überweisen<br />

lassen. Die Ehefrau des Anlegers nimmt<br />

aus abgetretenem <strong>Recht</strong> die Vertriebsorganisation<br />

auf Schadenersatz in Anspruch.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bejahte einen Schadenersatzanspruch<br />

aus der Verletzung von Pflichten eines Schuldverhältnisses.<br />

Dieses ist dadurch zustande gekommen,<br />

dass der Handelsvertreter das Einverständnis des<br />

Anlegers einholte, ihm <strong>und</strong> seiner Vertriebsorganisation<br />

den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, die<br />

das Anlagekonto zwischen dem Anleger <strong>und</strong> der<br />

Fondsverwaltungsgesellschaft betreffen. Die Datenweitergabe<br />

diente dem Zwecke der Beratung.<br />

Die Beratung erfolgte mit Wissen <strong>und</strong> Wollen der<br />

Vertriebsorganisation. Die Vertriebsorganisation<br />

stattete den Handelsvertreter sogar mit Formularen<br />

aus, die eine Auflösung von Vermögensanlagen ermöglichten.<br />

Sie hat deshalb für Pflichtverletzungen<br />

ihres Erfüllungsgehilfen wie für eigene Pflichtverletzungen<br />

einzustehen.<br />

Fazit<br />

Im Volksm<strong>und</strong> heißt es, dass man niemandem<br />

hinters Gesicht schauen kann. Der Anleger kann<br />

dies im Hinblick auf seinen ihn beratenden Finanzdienstleister<br />

genauso wenig wie die Vertriebsorganisation,<br />

für den ein Finanzdienstleister tätig<br />

ist. Dennoch ist es recht <strong>und</strong> billig, die Vertriebsorganisation<br />

für ein schuldhaftes Verhalten eines<br />

von ihr eingesetzten Handelsvertreters eintreten<br />

zu lassen. Sie ist insoweit „näher dran“. Nicht<br />

selten sind es die klangvollen Namen der großen<br />

Vertriebsorganisationen, die die Türen zum Anleger<br />

erst öffnen. Die Vertriebsorganisationen han-

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