Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
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Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
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mens, sind die bisherigen K<strong>und</strong>en des insolventen<br />
Unternehmens, die aufgr<strong>und</strong> der Tätigkeit des Handelsvertreters<br />
erstmals ein Geschäft mit dem neu<br />
gegründeten Unternehmen abgeschlossen haben,<br />
als vom Handelsvertreter geworbene Neu-K<strong>und</strong>en<br />
dieses Unternehmens anzusehen.<br />
Ein neu gegründetes Unternehmen hat noch keine<br />
Alt- oder Bestands-K<strong>und</strong>en. Es kann diese aufgr<strong>und</strong><br />
der Neugründung noch gar nicht haben. Im Rahmen<br />
des Kaufs eines K<strong>und</strong>enstamms kann ein neu<br />
gegründetes Unternehmen auch nicht die K<strong>und</strong>en<br />
erwerben, sondern lediglich die Information über<br />
die K<strong>und</strong>enbeziehungen. Diese Information über<br />
Stammk<strong>und</strong>en eines insolventen Unternehmens<br />
begründet noch keine Geschäftsbeziehung des<br />
neuen Unternehmens mit diesen K<strong>und</strong>en. Es eröffnet<br />
nur die Chance, dass die Stammk<strong>und</strong>en des<br />
insolventen Unternehmens auch mit dem neu gegründeten<br />
Unternehmen eine Geschäftsbeziehung<br />
eingehen werden.<br />
Der Umstand, dass der Inhaber des neu gegründeten<br />
Unternehmens einen K<strong>und</strong>enstamm käuflich<br />
erworben hat, kann unter dem Gesichtspunkt der<br />
Billigkeit (vgl. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) zu einer<br />
Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen, wenn<br />
dem Handelsvertreter dadurch die Werbung dieser<br />
K<strong>und</strong>en für das neu gegründete Unternehmen erleichtert<br />
wird.<br />
Fazit<br />
Jedenfalls bei neu gegründeten Unternehmen steht<br />
nach dieser Entscheidung fest, dass dieses keine<br />
„Alt-K<strong>und</strong>en“ haben kann, selbst wenn es einen<br />
K<strong>und</strong>enstamm übernimmt. Neue K<strong>und</strong>en, die ein<br />
Handelsvertreter geworben hat, sind alle K<strong>und</strong>en,<br />
die mit einem Unternehmen noch nicht in geschäftlicher<br />
Beziehung standen, sondern erstmals unter<br />
Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit<br />
dem Unternehmen abgeschlossen haben.<br />
Bildquelle: © senk - Fotolia.com<br />
4. Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im<br />
strukturierten Vertrieb<br />
(BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Finanzdienstleister, der in einem Strukturvertrieb,<br />
zuletzt auf der Stufe eines Regionaldirektionsleiters,<br />
tätig war, machte Ansprüche auf einen<br />
Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend, nachdem<br />
ihm seitens des Strukturvertriebs gekündigt<br />
worden war. Als Basis für den Ausgleichsanspruch<br />
bezog sich der Finanzdienstleister auf die sogenannten<br />
Gr<strong>und</strong>sätze, die von den Spitzenverbänden der<br />
Versicherungswirtschaft <strong>und</strong> des Versicherungsaußendienstes<br />
vereinbart worden sind. Im Vertrag<br />
zwischen Finanzdienstleister <strong>und</strong> Prinzipal war die<br />
Geltung dieser Gr<strong>und</strong>sätze aber nicht explizit vereinbart.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Versicherungs-<br />
<strong>und</strong> Bausparkassenvertreter von der<br />
Handelsvertreterrichtlinie, die im Jahr 2009 in<br />
deutsches <strong>Recht</strong> umgesetzt wurde, nicht erfasst<br />
wird. Die Notwendigkeit einer europarechtskonformen<br />
Auslegung ergibt sich deshalb nicht. Durch<br />
den Ausgleichsanspruch abzugelten sind deshalb<br />
Provisionsverluste für noch nicht vollständig ausgezahlte<br />
Vermittlungsprovisionen aus bestehenden,<br />
vom Vertreter vermittelten Verträgen, soweit diese<br />
infolge der Beendigung des Vertretervertrages entfallen.<br />
Gleichgestellt sind solche Verträge, die zwar<br />
erst nach dem Ausscheiden des Vertreters zustande<br />
kommen, sich aber bei natürlicher Betrachtungsweise<br />
lediglich als Verlängerung oder Summenerhöhung<br />
der vom Vertreter vermittelten Verträge<br />
darstellen, also in einem engen wirtschaftlichen<br />
Zusammenhang mit den Altverträgen stehen <strong>und</strong><br />
dem gleichen Versicherungs- oder Bausparbedürfnis<br />
dienen. Ausgleichsrechtlich irrelevant sind Verwaltungsprovisionen,<br />
die für Tätigkeiten wie die<br />
Bestandspflege <strong>und</strong> die K<strong>und</strong>enbetreuung gezahlt<br />
werden.<br />
Speziell in Bezug auf Finanzdienstleister, die innerhalb<br />
eines Strukturvertriebes tätig sind, können auch Superprovisionen<br />
ausgleichspflichtig sein. Entscheidend<br />
ist, dass die Tätigkeit des Strukturhöheren zumindest<br />
mit ursächlich für die von Strukturunteren vermittelten<br />
Abschlüsse ist. Eine solche Mitursächlichkeit<br />
setzt nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter<br />
die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich<br />
betreut. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann<br />
schon die Mitursächlichkeit der Einstellung <strong>und</strong> Einarbeitung<br />
von Untervertretern ausreichen.