Untitled - Justitia et Pax
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Karlheinz Koppe<br />
Zu Vorgeschichte, Ausbruch und Verlauf des Konfliktes<br />
im ehemaligen Jugoslawien<br />
Das historische Gedächtnis von Völkern und Volksgruppen (Ethnien) ist nachhaltiger, als<br />
viele vom hektischen Tagesgeschehen in Anspruch genommene Menschen vermuten. Geschichtliche<br />
Ereignisse wirken nicht nur Jahrzehnte, sondern oft Jahrhunderte nach und können<br />
unter bestimmten Bedingungen gegenwärtiges Geschehen bis hin zum bewaffn<strong>et</strong>en Konflikt<br />
beeinflussen. Wer mit Ängsten und Sorgen den blutigen, grausamen Bürgerkrieg im e-<br />
hemaligen Jugoslawien verfolgt, wer zur Überwindung dieses anachronistisch erscheinenden<br />
Konflikts beitragen will, muß sich deshalb mit seiner Vorgeschichte befassen. Dabei ist die<br />
Schwierigkeit zu berücksichtigen, daß den Vorgängen auf dem Balkan in Vergangenheit und<br />
Gegenwart neben erklärbaren machtpolitischen und ökonomischen Interessenkonflikten auch<br />
eine Fülle von Momenten innewohnt, die sich einer rationalen Erschließung entziehen.<br />
Ein kurzer historischer Rückblick zeigt, daß die Region des ehemaligen Jugoslawien seit den<br />
Anfängen der Landnahme durch südslawische Völker im 7. Jahrhundert zu keinem Zeitpunkt<br />
eine echte Befriedung kannte. Zu stark waren die unterschiedlichen Entwicklungen und diversen<br />
äußeren Einflüsse durch Orthodoxie, römischen Katholizismus, Islam, Byzanz, Rom,<br />
Bulgarien, Österreich, Ungarn, Türkei, Rußland und seit Ende des 19. Jahrhunderts auch<br />
durch Deutschland (von der Landnahme deutscher Siedler im Lauf der Jahrhunderte ganz<br />
abgesehen). Es waren schließlich die Ost-West-Konfrontation, die anerkannte Autorität von<br />
Josip Broz Tito und die kommunistische Herrschaft, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
vierzig Jahre lang den südslawischen Völkern einen - wie wir heute wissen - trügerischen<br />
Frieden beschert hatten, der im Gefolge von Titos Tod (8. Mai 1980), des Zusammenbruchs<br />
der sozialistischen Staatenwelt und der Beendigung des Kalten Krieges das Ende der staatlichen<br />
(Zwangs)Einheit Jugoslawiens nicht verhindern konnte. Die bis dahin nur unterdrückten<br />
Interessengegensätze zwischen den einzelnen Regionen brachen sofort wieder auf und lösten<br />
jenen grausamen Bürgerkrieg aus, vor dem wir heute fassungslos stehen und den - jedenfalls<br />
bislang - keine Vermittlungsversuche zu beenden in der Lage waren.<br />
Die Siedlungs- und Wohngebi<strong>et</strong>e der Serben und Kroaten sowie der mehrheitlich muslimischen<br />
Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina und der stark gemischten Bevölkerung Makedoniens<br />
waren zu keinem Zeitpunkt der Geschichte klar voneinander g<strong>et</strong>rennt. Eine Ausnahme<br />
bild<strong>et</strong>e Slowenien, das ohne Unterbrechung bis 1919 Teil des habsburgischen Österreich war<br />
und auch heute noch zu über 90 Prozent nur von Slowenen bewohnt ist. Die teilweise Jahr-<br />
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