Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer
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jenseits des Ringes Gehör verschaffte, das Wort. Er sprach kurz, trocken, aber um so wirkungsvoller:<br />
»Mitbürger, ein ungeheures Werk ist vollendet! Alles das, was in seinem innersten Wesen nicht<br />
österreichisch ist, hat die Grenzen unseres kleinen, aber schönen Vaterlandes verlassen! Wir sind nun<br />
allein unter uns, eine einzige Familie, wir sind fürderhin auf uns und unsere Eigenart gestellt, mit eigener<br />
Kraft werden wir unser gesäubertes Haus frisch bestellen, morsche Mauern stützen, geborstene Pfeiler<br />
aufbauen. Wiener und Brüder aus dem ganzen Bundesstaat! Wir feiern heute ein Fest, wie es noch nie<br />
gefeiert wurde. Morgen beginnt ein neues Jahr und für uns alle ein neues Leben. Morgen dürfen wir noch<br />
ruhen und uns beschaulich besinnen. Dann aber müssen wir arbeiten, wie wir noch nie gearbeitet haben.<br />
Unser ganzes Können müssen wir unserem Vaterlande widmen, jede Stunde muß genützt werden. Wir<br />
werden der ganzen Welt zeigen müssen, daß Österreich auch <strong>ohne</strong> <strong>Juden</strong> leben kann, ja daß wir eben<br />
deshalb gesunden, weil wir das Fremde aus unserem Blutkreislauf entfernt haben. Mitbürger, schwört es<br />
mir in dieser feierlichen Stunde in die Hand, daß wir alle nicht mehr schweigend in den Tag hineinleben<br />
wollen, sondern arbeiten, arbeiten und nichts als arbeiten, bis uns die Früchte unserer Arbeit erblüht<br />
sind.«<br />
Und der Ruf. »Wir schwören es!« brauste auf, fremde Menschen schüttelten einander die Hände, Männer<br />
und Frauen sanken einander weinend und lachend in die Arme, die neue Volkshymne wurde intoniert<br />
und mitgesungen und dann erklang <strong>ohne</strong> Verabredung und doch wie aus einem Munde das »Hoch unser<br />
Doktor Schwertfeger, der Befreier Österreichs!«<br />
Als sich der Jubel und Tumult ein wenig gelegt hatte, kam endlich auch Bürgermeister Herr Karl Maria<br />
Laberl zum Wort. Er begann seine Ansprache mit den Worten:<br />
»Meine lieben Christen! – –«<br />
Aber viel mehr vernahm die Menge nicht, denn dem warmen Föhn, der seit Minuten durch die vorher<br />
noch so kalte Nacht fegte, folgte in diesem Augenblick ein Regenguß, und schreiend, kreischend<br />
zerstreute sich die Menschenmasse, um durch ein Meer von Kot und zerflossenem Schnee zu den<br />
Straßenbahnen zu eilen.