Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer
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2. Kapitel<br />
Loden – die große Mode<br />
Herr Habietnik ging düster, schweigend, mit gerunzelter Stirne durch die prunkvollen Verkaufsräume des<br />
großen Modehauses in der Kärntnerstraße, das einst Zwieback geheißen und jetzt den Namen Wilhelm<br />
Habietnik trug. Herr Habietnik war der erste Verkäufer in der Damenmaßabteilung gewesen, und mit<br />
Hilfe der Mittelbank deutscher Sparkassen war es ihm gelungen, bei der großen <strong>Juden</strong>vertreibung das<br />
Haus an sich zu bringen. Herr Habietnik ging nun, wie gesagt, von Saal zu Saal, wechselte in jedem ein<br />
paar Worte mit dem Rayonchef, sein Antlitz wurde immer finsterer und er stieß unwillige Rufe aus.<br />
Durch die ganz in Weiß und Rosa gehaltene Abteilung für Babywäsche schritt er, <strong>ohne</strong> sich aufzuhalten,<br />
in den entzückenden Konditoreisalon, der vollständig leer war, warf er nur einen schiefen Blick, dann<br />
stürmte er in sein Privatkontor und ließ sich den Prokuristen Smetana kommen.<br />
»Sie, Herr Smetana, so geht das nicht weiter, da muß etwas geschehen! Wir stehen vor Ostern, früher<br />
war das die Hochsaison und man konnte vor Gedränge gar nicht durch das Haus gehen, und jetzt habe<br />
ich auf meinem Rundgang drei alte Weiber gefunden, von denen zwei zusammen eine Chenillepelerine,<br />
wie sie gar nicht mehr existieren, kaufen wollten und eine einen Barchentunterrock. Wenn wir so<br />
weitermachen, können wir sperren. Sagen Sie, wie groß ist das Betriebsdefizit, seitdem ich die Firma<br />
übernommen habe?«<br />
Der Prokurist Smetana lächelte sauer:<br />
»Na, so an die tausend Millionen, das wird wohl reichen!«<br />
Herr Habietnik ging aufgeregt auf und ab. »Ich versteh' das nicht! Wir haben früher, wie die <strong>Juden</strong> noch<br />
da waren, doch auch eine Menge christliche Käuferinnen gehabt! Wo sind denn die hingekommen?«<br />
Smetana, der früher in der Buchhaltung gesessen und die Rechnungen ausgeschrieben hatte. lächelte.<br />
»Herr Habietnik, mit den christlichen Kundschaften war es nie weit her, und wenn es schon Christinnen<br />
waren, so hatte ihr Christentum doch irgendwo ein Klampferl. Entweder sie waren die Frauen oder die<br />
Maitressen von <strong>Juden</strong>. Bitt' Sie, da erinnere ich mich an die schöne Gräfin Wurmdorf, die was zuletzt<br />
noch eine Redoutentoilette für eineinhalb Millionen bei uns hat machen lassen. Na, wer aber hat sie<br />
gezahlt? Der Herr Gemahl vielleicht? Keine Spur! Der reiche Eisler von der Firma Eisler und Breisler!<br />
Und die Manoni von der Oper, die was die Tochter von einer waschechten christlichen Waschfrau ist und<br />
hundert gute Millionen im Jahr bei uns gelassen hat? Na, bei der hat die ganze israelitische<br />
Kultusgemeinde herhalten müssen! Und die –«