Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer
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15. Kapitel<br />
Herr Laberl dreht sich<br />
In den nächsten Tagen ereignete sich noch etwas, was in den stramm-christlichsozialen Kreisen große<br />
Bestürzung erregte. Der Bürgermeister von Wien, nach Schwertfeger der mächtigste Mann im Reiche,<br />
Herr Karl Maria Laberl, fiel sozusagen um. Nicht aus eigenem Willen allerdings, sondern weil ihm sein<br />
Präsidialist Herr Kallop ein Bein stellte. Von diesem Herrn Kallop wußte man längst im Rathause, daß er<br />
eigentlich umgekehrt, das heißt Pollak, heißen müßte, weil dies der Name seines Großvaters war. Und als<br />
die <strong>Juden</strong> noch in Wien gewesen, erzählte man in ihren Kreisen, daß der alte Pollak ein aus Galizien<br />
eingewanderter Getreidehändler wäre, der eine Christin geheiratet habe und sich deshalb taufen ließ. Sein<br />
Sohn habe schon den Namen Kallop angenommen, war ein in christlichen Kreisen angesehener Advokat,<br />
der wieder eine Christin heiratete, so daß die Enkelkinder des alten Pollak nach dem Schwertfegerschen<br />
Gesetz als Vollarier anzusehen waren. Josef Kallop, der Sohn des Advokaten, taugte in seiner Jugend<br />
nichts, konnte seine juristischen Studien nicht beenden und wurde daher mit Erfolg Magistratsbeamter.<br />
An Schlauheit den meisten seiner Kollegen turmhoch überlegen, brachte er es bald zum Präsidialisten<br />
und seit geraumer Zeit war er die rechte Hand des Bürgermeisters Laberl.<br />
Herr Kallop also war es, der den Bürgermeister zum Umfallen brachte. Er machte ihm klar, daß ein<br />
großer Umschwung bevorstehe.<br />
»So geht es nicht weiter, Herr Laberl, das ist Ihnen doch ganz klar. Es wird demnächst Unruhen geben,<br />
ernste Unruhen sogar, und eines Tages wird die Regierung sozusagen flötengehen. Wenn Sie nicht mit<br />
flötengehen wollen, so müssen Sie sich beizeiten ein wenig umdrehen. Rücken Sie von Schwertfeger ab,<br />
geben Sie zu, daß man bei der <strong>Juden</strong>ausweisung zu weit gegangen ist, und ganz Wien wird plötzlich<br />
inmitten des Rummels, der kommen muß und wird, sagen: Unser Bürgermeister, das ist ein Gescheiter,<br />
der lenkt ein und wird uns noch herausreißen.«<br />
Herr Karl Maria Laberl nickte, strich sich den schönen, weißen Bart, war von seinem überlegenen<br />
Verstand schon ganz durchdrungen, fragte aber einigermaßen ängstlich:<br />
»Lieber Kallop, das ist ja ganz richtig, was Sie da sagen und entspricht dem, was ich mir schon längst<br />
gedacht habe. Aber wie soll ich denn das machen?«<br />
»Sehr einfach, Herr Bürgermeister. Wir berufen eine Versammlung der christlichsozialen<br />
Bürgervereinigung des, na, sagen wir ersten Bezirkes ein, weil dort unter den Geschäftsleuten geradezu<br />
eine Panikstimmung herrscht. Und dann halten Sie eben eine Rede, die wir zusammen ausarbeiten<br />
werden.«