06.11.2013 Aufrufe

Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Die</strong> Mädeln in den Kontoren und Bureaus, den Nähstuben und Fabriken verstanden wenig von Politik,<br />

mehr vom praktischen Leben. Und der jüdische junge Mann begann ihnen sehr zu fehlen. Anfangs hatte<br />

sie der allgemeine Begeisterungsrausch mitgerissen, dann als der Katzenjammer eintrat, fanden sie ihr<br />

Leben noch armseliger und leerer als früher. Sie begannen sich nach ihrem ausgewiesenen Schatz zu<br />

sehnen, die guten Eigenschaften der <strong>Juden</strong> als Liebhaber wurden in der Erinnerung übertrieben, den<br />

christlichen Nachfolgern unter die Nase gerieben, immer wieder der Vergleich gezogen, der zu<br />

ungunsten der Herrschenden ausfiel.<br />

<strong>Die</strong> »Arbeiter-Zeitung« schilderte einmal eine charakteristische Szene, die ein Berichterstatter im<br />

Gartenwirtshaus eines Ausflugsortes beobachtet hatte.<br />

Ein bildhübsches junges Ding war aus irgendwelchen Gründen mit ihrem Begleiter in Streit geraten, in<br />

dessen Verlauf er ihr zurief:<br />

»Wärst halt mit deinem <strong>Juden</strong> ausgewandert!«<br />

Worauf das Mädchen sich die Tränen aus den Augen wischte und laut erwiderte:<br />

»Hätt' ich es nur getan! Ich bin nicht die einzige, die einen jüdischen Freund gehabt hat und jeder tut es<br />

leid, daß sie ihn nicht mehr hat! Was haben wir denn von euch? Euer Geld tut's ihr vertrinken und<br />

verspielen, und wir müssen uns unsere paar Fetzen von unserem eigenen Geld kaufen! Und keiner von<br />

euch ist so nett zu uns, wie es mein Fritz gewesen war und der Rudi von der Trudl und sein Freund, der<br />

Karl, der mit der Liesl gegangen ist. Da haben wir uns nicht bücken dürfen und nichts tragen und immer<br />

haben sie uns das Schönste und Beste gekauft und wenn wir mit ihnen ausgegangen sind, haben sie uns<br />

nicht in solche ekelhafte Beiseln geführt, sondern zu Hopfner oder ins Opernrestaurant und nachher in<br />

ein feines Kaffeehaus mit Musik und schön angezogenen Menschen. Na – und von wegen der Liebe –<br />

also, darüber soll man net reden, aber so ein Jud' hat schon gewußt, wie er mit seinem Mädel umgehen<br />

soll und auch in der Liebe ist er nie so ein Egoist gewesen, wie ihr Burschen, die ihr gar nicht wißt, was<br />

eine Frau braucht!«<br />

<strong>Die</strong>se resoluten Worte riefen bei den Burschen einen Sturm der Entrüstung hervor, die Mädchen aber<br />

sahen einander schweigend an und nickten – – –

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!