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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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Krone wird fester kommen, hat er gesagt, kaufen Sie Kronen. Und immer ist es richtig so gewesen und<br />

ich hab' nicht nur an der Ware, sondern auch noch an der Valuta verdient! Aber jetzt – die Affen, die jetzt<br />

in der Bank beieinandersitzen, kennen sich selber net aus und i kenn' mi auch net aus und alles geht<br />

kaputt, sag' ich dir!«<br />

Herr Zwickerl gehörte zu den vielen kleinen Geschäftsleuten, die durch das Antijudengesetz mächtig in<br />

die Höhe gekommen waren. Mt Hilfe der urchristlich gewordenen Länderbank hatte er, der kleine<br />

Dutzendkaufmann, das große Warenhaus in der Mariahilferstraße an sich bringen können, und das erste<br />

Halbjahr war alles eitel Wonne gewesen. Wenn Herr Zwickerl auf der Galerie des Kaufhauses stand und<br />

auf den Menschenschwarm hinabsah, kam er sich wie ein kleiner König vor und er berauschte sich<br />

ordentlich an dem Klingeln der Registrierkassen, dem Knistern der Seide und dem Stimmengewirr. Und<br />

allabendlich leerte er beim Nachtessen sein Weinglas auf das Wohl des Schwertfeger, und immer wieder<br />

sagte er zu seiner Frau, die jetzt nur mehr in Glacéhandschuhen kochte:<br />

»Alte, da sieht man es am besten, wie uns die <strong>Juden</strong> ausgesaugt haben! <strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> haben die großen<br />

Geschäfte gehabt und wir Christen konnten im finsteren Laden schuften und darben. Gottlob, daß das<br />

aufgehört hat!«<br />

Aber schon die erste Semestralbilanz brachte dem Herrn Zwickerl arge Enttäuschung. Trotz der enormen<br />

Umsätze und des gefüllten Kaufhauses war von einem Gewinn keine Rede, immer wieder hatte man sich<br />

beim Einkauf im Auslande so oder so verspekuliert. Und mehr als einmal hatte Herr Zwickerl in sich<br />

hineingeseufzt: An ordentlichen <strong>Juden</strong>, wenn ich hätt', der was mich beraten tät'!<br />

Herr Zwickerl mußte tatsächlich Konkurs anmelden, das Geschäft wurde geschlossen und von einem<br />

Grundbesitzer aus der Gumpoldskirchner Gegend übernommen, der aus dem großen Haus eine riesige<br />

Stehweinhalle machte.<br />

In den Jahren, die dem Kriegsende und dem Umsturz gefolgt waren, hatte sich Wien immer mehr zur<br />

Zentrale des mitteleuropäischen Luxus entwickelt und das Leben gewisser Schichten eine Üppigkeit<br />

angenommen, die in der ganzen Welt als beispiellos besprochen wurde. <strong>Die</strong> breiten Massen der Wiener<br />

Bevölkerung aber, nicht nur die Arbeiter, sondern auch das mittlere Bürgertum, hatten zähneknirschend<br />

gesehen, wie sich die fremden Elemente, vor allem die <strong>Juden</strong> aus Galizien, Rumänien und Ungarn, als<br />

Herren Wiens aufspielten, mit dem für sie fast wertlosen österreichischen Geld um sich warfen,<br />

Champagner tranken, wo der kleine Mann kaum noch das Glas Bier zahlen konnte, ihre Weiber mit<br />

Perlen und Pelzen behängten, während die wirklich gute Gesellschaft den alten Familienschmuck<br />

stückweise verkaufen mußte, in prachtvollen Luxusautomobilen durch die Straßen rasten, den<br />

bodenständigen Wienern die Wohnungen wegnahmen und mit ihrem lärmenden protzigen Gehaben die<br />

alte kultivierte <strong>Stadt</strong> erfüllten.<br />

Als die <strong>Juden</strong> fortgetrieben waren, änderte sich das alles von Tag zu Tag auf das gründlichste. Der<br />

sinnbetörende Luxus verschwand, der Wiener Ausverkauf stockte, man mußte sich nicht mehr anstellen,<br />

um einen Platz im Opernhaus zu ergattern, das Leben wurde stiller, solider, einfacher. Bis es sich zeigte,

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