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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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Und die christlich gewordenen Banken hatten das gar nicht notwendig, abgesehen davon, daß es ihnen<br />

von Tag zu Tag miserabler ging.<br />

Nochmals machten die Führer der Hakenkreuzler einen Versuch, sich und ihre langsam sterbende Partei<br />

zu retten: In mächtigen Plakaten und Millionen Flugzetteln teilten sie der Bevölkerung mit, daß wieder<br />

nur die <strong>Juden</strong> an allem Elend der Wiener Schuld haben. Das internationale <strong>Juden</strong>tum sei es, das vom<br />

Ausland seine vergifteten Pfeile nach Österreich schicke, Rache brüte, die Krone gewalttätig stürze und<br />

durch die mächtige Organisation des Freimaurertums Österreich austrockne und von dem internationalen<br />

Leben abschalte.<br />

Drei, vier Tage lang bildeten diese »Enthüllungen« Tagesgespräch, blieben die arbeitslosen, hungernden,<br />

verzweifelten Menschen vor den Plakaten stehen und schüttelten die Fäuste. Dann zuckte man die<br />

Achseln und nannte das Ganze einen Blödsinn. Aus dem einfachen Grund, weil auch der primitivste<br />

Mensch einsah, daß Österreich solchem »Komplott« des <strong>Juden</strong>tums gegenüber ganz machtlos war.<br />

Früher, ja, da konnte man berauscht und begeistert aus einer Hakenkreuzlerversammlung weg nach der<br />

Leopoldstadt in der geheimen Hoffnung marschieren, unterwegs ein wenig plündern und rauben, ein paar<br />

<strong>Juden</strong> prügeln und ein paar Fensterscheiben einschlagen zu können. Aber jetzt, wo es in der Leopoldstadt<br />

keine <strong>Juden</strong> mehr gab, wäre solche Demonstration höchst sinnlos geworden, und die früher oft sehr<br />

tolerante und gütige Polizei hätte die plündernden Demonstranten sicher einfach niedergesäbelt.<br />

So kam es denn, daß eines Tages das Hauptorgan der Hakenkreuzler wehmütig und doch auch bissig das<br />

Ende ihres Erscheinens ankündigte und dabei die erschütternde Mitteilung machte, daß bei der letzten<br />

großen Hakenkreuzlerversammlung im Konzerthaus außer den Funktionären und den Kellnern nur<br />

zwanzig Personen erschienen waren.<br />

Dr. Schwertfeger hatte recht behalten: <strong>Die</strong> politischen Gegensätze milderten sich, sie verschwanden<br />

beinahe ganz. Aber aus wesentlich anderen Gründen, als er geglaubt hatte. Nämlich deshalb, weil jede<br />

motorische Kraft fehlte und mit dem Auszug der <strong>Juden</strong> auch jedes politische Temperament geschwunden<br />

war.

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