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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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Zürich. Auf der hiesigen Börse wurden die drahtlich und telephonisch einlangenden Nachrichten von der<br />

entscheidenden Sitzung der Wiener Nationalversammlung mit fieberhaftem Interesse verfolgt. Kaum war<br />

das Fallen des Antijudengesetzes zur Gewißheit geworden, als auch schon umfangreiche Kronenankäufe,<br />

darunter solche von amerikanischen und englischen Finanzgruppen, erfolgten. <strong>Die</strong> österreichische<br />

gestempelte Krone ging sprunghaft auf das Doppelte, zum Börsenschluß sogar auf das Dreifache hinauf.<br />

Um sechs Uhr abends erschien eine dritte Extra-Ausgabe, die in ganz Wien Aufsehen und mit<br />

Galgenhumor gemischte Heiterkeit hervorrief. <strong>Die</strong> Nachricht lautete:<br />

Ankunft des ersten <strong>Juden</strong> in Wien.<br />

Wie wir mitteilen können, ist soeben der erste Jude aus dem Exil nach Wien zurückgekehrt. Es ist dies<br />

der junge, aber bereits weltberühmte Maler und Radierer Leo Strakosch, der die ganze Zeit von<br />

Heimweh erfüllt in Paris verbracht und sich vorgestern von dort an die österreichisch-mährische Grenze<br />

nach Lundenburg begeben hatte. Als er telephonisch von der Nichtigkeitserklärung des<br />

Ausweisungsgesetzes erfuhr, begab er sich sofort per Automobil nach seiner Vaterstadt Wien. Er hält<br />

sich derzeit im Hause seines zukünftigen Schwiegervaters, des Hofrates Spineder, in der Kobenzlgasse<br />

auf, wo er nach jahrelanger bitterer Trennung die in Treue und Liebe seiner harrende Braut umarmt.<br />

<strong>Die</strong>se Extra-Ausgabe bildete einen wohlwollend-boshaften Scherz des Chefredakteurs der »Arbeiter-<br />

Zeitung«. Gleich nach ihr erschien aber eine Extra-Ausgabe der »Weltpresse« mit zwei sensationellen<br />

Nachrichten. In der einen wurde angekündigt, daß sich der ehemalige Bundeskanzler Dr. Schwertfeger in<br />

Verzweiflung über das Scheitern seines so groß und ehrlich gedachten Werkes durch einen<br />

Revolverschuß entleibt habe. Anknüpfend daran machte die »Weltpresse« die Mitteilung, daß sie, dem<br />

Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung Wiens folgend, vom heutigen Tage an als das<br />

Organ der neuen Partei der tätigen Bürger erscheinen werde.

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