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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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Herr Habietnik winkte ab. »Trotzdem, es gab genug Damen <strong>ohne</strong> Liebhaber, die ganz schön eingekauft<br />

haben. Ich weiß das besser, weil ich doch gerade die Maßabteilung unter mir hatte.«<br />

»Ja, sehen Sie, Herr Habietnik, wenn es schon keine Jüdinnen waren, so war es eben die Konkurrenz der<br />

<strong>Juden</strong>frauen, die uns geholfen hat. Wenn die Jüdinnen fein und elegant gekleidet waren, so wollten die<br />

christlichen Damen der guten Gesellschaft nicht zurückstehen.«<br />

»Da können Sie recht haben«, meinte der Chef nachdenklich. »Neulich habe ich selbst gehört, wie die<br />

Frau Artander die Preise bekrittelte und <strong>ohne</strong> zu bestellen mit den Worten wegging: »Ach was,<br />

heutzutage hat man es ja gottlob nicht mehr notwendig, sich so aufzutakeln und jede Modedummheit<br />

mitzumachen. Ich werde eben die alten Sachen herrichten lassen.«<br />

Herr Habietnik bekam einen roten Kopf und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ich habe Sie aber nicht<br />

gerufen, um mit Ihnen zu schmusen, sondern weil ich einen Rat von Ihnen will! Dazu zahl' ich Ihnen ja<br />

den hohen Gehalt!«<br />

Smetana knickte zusammen. »Eine Idee hätt' ich schon, Herr von Habietnik. <strong>Die</strong> Leut' tragen jetzt so viel<br />

Loden und andere solide Sachen. Sie haben es ja selbst gesehen, sogar nach Barchent ist Nachfrage. Wie<br />

wäre es, wenn wir ein paar Fenster mit Lodenstoffen, Lodenröcken, Barchent- und Flanellwäsche füllen<br />

würden? Und dazu eine schöne Tafel und viel Inserate mit der Ankündigung: Loden, Barchent,<br />

Baumwolle und Flanell – die hohe Pariser Mode!«<br />

Herr Habietnik bekam einen Lachkrampf und krümmte sich so lange, bis ihm die Tränen über die<br />

Backen liefen. »Flanell und Loden – die große Pariser Mode! Sie, wenn das die Frau Ella Zwieback, die<br />

jetzt in Brüssel lebt, erfährt, so glaubt sie, daß wir in Wien alle zusammen verrückt geworden sind! Aber<br />

meinethalben, mich ekelt die ganze Geschichte schon an, ich bekomme Platzangst, wenn ich durch das<br />

leere Haus gehe! Gut, machen Sie Lodenfenster! Und Steirerhüteln dazu nicht vergessen und genagelte<br />

Schuhe! Und die Konditorei verwandeln wir langsam, aber sicher in eine Stehbierhalle mit heißen<br />

Würsteln. Mir ist schon alles egal, so kapores oder so!«<br />

Zehn Tage später sah man richtig hinter einem der Fenster rote, blaue und gemusterte Flanellröcke,<br />

Hosen, gestrickte Miederleibchen, hinter einem anderen Baumwollstrümpfe und solides Schuhzeug und<br />

in einer der Auslagen türmten sich Lodenstoffe in Braun, Grau und Schwarz zu Bergen. Und die<br />

Verkaufsräume füllten sich, bis der Bedarf der weitesten Kreise gedeckt war und die Verkäuferinnen<br />

wieder verstohlen hinter ihren schwarzen Seidenschürzen gähnten oder Engelhornromane lasen.

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