Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer
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Professor Trumm hatte sich gleich nach der Auflösung des Hauses auf die Beine gemacht und war nach<br />
Berlin, Paris und London gefahren um zu betteln und zu beschwören. Vergebens! <strong>Die</strong> großen christlichen<br />
Vereinigungen im Ausland, die französischen Antisemiten, die holländischen Christen – sie alle hatten<br />
Worte des Mitempfindens und der Sympathie, erkundigten sich lebhaft nach dem Schicksal der vielen<br />
Millionen, die sie der guten Sache schon geopfert, und hielten die Taschen fest zu. <strong>Die</strong> größte<br />
Enttäuschung bildete das Verhalten des amerikanischen Billionärs Mister Huxtable, auf den man am<br />
sichersten gerechnet hatte. Er ließ alle Telegramme und Bittschriften unbeantwortet, und zehn Tage vor<br />
den Wahlen kam ein Kabeltelegramm des Vertrauensmannes der österreichischen Regierung in New<br />
York, das folgenden niederschmetternden Wortlaut hatte:<br />
»Huxtable unnahbar. Hat sich heimlich mit einer jungen Jüdin aus Chicago vermählt. Beabsichtigt, den<br />
der österreichischen Regierung vor drei Jahren eingeräumten Kredit der jüdischen Großbank Kuhn und<br />
Loeb um ein Viertel zu verkaufen.«<br />
Schwertfeger begann in Düsterkeit zu erstarren, die antisemitischen Häuptlinge verloren vollends den<br />
Kopf, Bürgermeister Laberl aber tat etwas, was die ungeheuerste Sensation erregte. Drei Tage vor den<br />
Wahlen trat er aus dem christlichsozialen Bürgerklub aus und der Partei der tätigen Bürger bei. Und<br />
seinem Beispiel folgte mehr als die Hälfte der Gemeinderäte.<br />
An diesem Tage wehte ein warmer Wind die letzten Schneemassen von den Abhängen der Wiener Berge<br />
fort und oben im Atelier in der Billrothstraße hielten sich zwei junge Menschenkinder heiß und<br />
sehnsuchtsvoll umfangen. Und er flüsterte:<br />
»Oh, wärst du schon mein!«<br />
Und sie erwiderte traumverloren:<br />
»Wenn du dir schon den Knebelbart abnehmen könntest; er kitzelt so arg!«