Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer
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wurde, kannte sich in seiner Tochter nicht mehr aus und begann ernstlich an ihrem Verstand zu zweifeln.<br />
Sorgenvoll besprach er ihr merkwürdiges Verhalten mit seiner Gattin.<br />
»Was soll das alles heißen? Hat Leo vergessen, verbringt halbe Tage mit einem neuen Verlobten, diesem<br />
Franzosen, den ich zu hassen beginne, <strong>ohne</strong> ihn zu kennen, läßt sich von ihm beschenken, erklärt<br />
plötzlich, daß sie am liebsten beide, den Leo und den Dufresne, nehmen würde, und nun, da Leo nicht<br />
zurückkommen kann, sitzt sie da und weint sich die Augen aus dem Kopf Ich glaube, das Mädel ist<br />
übergeschnappt!«<br />
Frau Spineder seufzte tief<br />
»Mein Lieber, ich kenne selbst mein Kind nicht mehr und habe keine Ahnung, was in seinem Herzen<br />
vorgeht. Jedenfalls müssen wir, wenn sich zeigt, daß das <strong>Juden</strong>gesetz bestehen bleibt, darauf dringen,<br />
diesen Herrn Dufresne kennenzulernen.«<br />
Hofrat Spineder nickte.<br />
»Jawohl! Und sollte sich Lotte abermals weigern oder die Sache hinauszuschieben versuchen, so<br />
schicken wir sie zu Tante Minna nach Klagenfurt!«<br />
Leo überlegte Tag und Nacht und hatte schließlich einen festen Plan gefaßt, einen Plan, der entscheiden<br />
sollte, ob er weiterhin mit offenem Visier in Wien bleiben konnte oder zurück nach Paris mußte. Fiel das<br />
Gesetz nicht, so wurde seine Rückreise zwingende Notwendigkeit, da sein Freund Henry Dufresne,<br />
dessen Namen er führte, jetzt selbst aus Südfrankreich wieder nach Paris übersiedeln wollte und von da<br />
an die Gefahr einer Aufdeckung seines verwegenen Spieles vorlag.