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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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<strong>Die</strong>ser Sommer tröstete die Wiener zum zweitenmal für das viele Ungemach und die argen<br />

Enttäuschungen, die sie erleben mußten. Gerade die schönsten Plätze und Orte in dem klein gewordenen<br />

Österreich waren in den früheren Jahren zum Pachtgut der <strong>Juden</strong> geworden. Das ganze herrliche<br />

Salzkammergut, das Semmeringgebiet, sogar Tirol, soweit es einigen Komfort bot, waren von<br />

österreichischen, tschechoslowakischen und ungarischen <strong>Juden</strong> überflutet gewesen; in Ischl, Gmunden,<br />

Wolfgang, Gilgen, Strobl, am Attersee und in Aussee erregte es direkt Aufsehen, wenn Leute<br />

auftauchten, die im Verdacht standen, Arier zu sein. <strong>Die</strong> christliche Bevölkerung, zum Teil weniger im<br />

Überfluß schwelgend, zum Teil auch großen Geldausgaben konservativer gegenüberstehend, fühlte sich<br />

nicht <strong>ohne</strong> Unrecht verdrängt und mußte mit den billigeren, aber auch weniger schönen Gegenden in<br />

Niederösterreich, Steiermark oder in entlegenen Tiroler Dörfern vorliebnehmen. Das war seit der<br />

<strong>Juden</strong>vertreibung anders geworden. Es gab in den schönsten Sommerfrischen keine Überfüllung, die<br />

Städter bekamen auf ihre Nachfragen höfliche und eilige Antworten, und trotz der sonstigen Teuerung<br />

waren die Wohnungs- und Zimmerpreise erheblich billiger als vor zwei Jahren. Und so schwärmte denn<br />

alles, was Geld und Zeit hatte, in jene Gegenden, die dem bodenständigen Wiener früher verleidet<br />

worden waren.<br />

<strong>Die</strong> Besitzer der großen Etablissements, Kuranstalten und sogenannten Sanatorien schnitten allerdings<br />

sauere Mienen. Sie hatten immer von dem internationalen <strong>Juden</strong>tum gelebt, ihr ganzer Betrieb war auf<br />

jene Menschen eingestellt, die nicht rechnen, wenn es sich um ihre Behaglichkeit handelt, und nun<br />

fanden sie, da sie auch bei gutem Willen nicht billig sein konnten, nicht genügend Gäste. <strong>Die</strong> großen<br />

Semmeringhotels eröffneten ihre Betriebe überhaupt nicht mehr und viele Hotels im Salzkammergut und<br />

Tirol sahen sich mitten im Sommer genötigt, zu sperren und ihr Personal zu entlassen. Das war ein<br />

Wermuttropfen im Becher der Freude und machte böses Blut unter der Landbevölkerung, die gewohnt<br />

war, ihre Produkte zu enormen Preisen den großen Hotels zu verkaufen und ihre Töchter und Söhne im<br />

Sommer ein schweres Stück Geld als Stubenmädchen und Hausdiener verdienen zu lassen.<br />

Der Bürgermeister von Semmering hatte den Mut, es in einer Gemeinderatssitzung offen herauszusagen:<br />

»Mit den <strong>Juden</strong> hat man bei uns den Wohlstand vertrieben, ein paar Jahre noch und wir werden zwar<br />

gute Christen, aber bettelarm sein!«

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