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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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Verdrossenheit und Mutlosigkeit gefeiert wurde.<br />

Und wenn der Bundeskanzler das Gespräch mitangehört hätte, das in der Weihnachtswoche der Herr<br />

Habietnik, Besitzer des großen Modehauses in der Kärntnerstraße, und der Herr Mauler, Inhaber des<br />

großen Juweliergeschäftes am Graben, miteinander führten, so wäre sein Ingrimm noch größer gewesen,<br />

als er es <strong>ohne</strong>dies war.<br />

Herr Habietnik und Herr Mauler saßen im Grabencafé und klagten beide über das elende<br />

Weihnachtsgeschäft, das den Ruin Tausender von Geschäftsleuten besiegeln mußte. Plötzlich beugte sich<br />

Herr Habietnik zu Herrn Mauler und erzählte ihm von einem Traum, den er in der vergangenen Nacht<br />

gehabt.<br />

»Stellen Sie sich vor, Herr Mauler, i hab' g'träumt, daß plötzlich zu mir ins Geschäft lauter <strong>Juden</strong> und<br />

Jüdinnen gekommen san. Alle waren hochelegant und haben Banknotenbündel in den Händen gehalten<br />

und es ist ein Riesenwirbel entstanden. <strong>Die</strong> Madeln konnten die Pelze und Stoffe, die Mäntel und<br />

Kostüme gar nicht schnell genug herbeibringen und die ganze Modeabteilung war von Seide und Samt,<br />

von Spitzen und Stickereien gefüllt. Und nichts war den Jüdinnen gut genug und eine sehr feine, fesche<br />

jüdische Dame hat immer geschrien: ›Das ist gar nichts! Wir kommen aus Paris und Palästina, wo die<br />

neuesten Moden sind, zeigen Sie das Beste, was Sie haben.‹ Und da hat meine erste Verkäuferin<br />

plötzlich eine Barchenthose gebracht und hat gesagt: ›Aber meine verehrte gnädige Israelitin, das ist<br />

doch das Neueste aus Paris!‹ Und da ist ein furchtbares Gelächter entstanden, so daß ich aufgewacht bin!<br />

Glauben S' nicht, Herr Mauler, daß der Traum was zu bedeuten hat?«<br />

Herr Mauler aber meinte grinsend:<br />

»Ja, er hat zu bedeuten, daß bald die ganze Welt über uns lachen wird und wir uns in Flanell und<br />

Barchent einwickeln werden, bevor wir begraben werden. Aber das eine weiß ich, Herr Habietnik, wenn<br />

so plötzlich vor meinem Laden ein Automobil vorfahren würde mit einem jüdischen Ehepaar, so tät ich<br />

sie beide abküssen und hätt' noch einmal eine Freude am Leben! Wissen Sie, Herr Habietnik, wie ich<br />

früher noch Kommis beim Herrn Zwirner war, der mein Geschäft gehabt hat, da hab' ich mir oft gedacht,<br />

daß es eigentlich eine Schand' ist, daß fast nur die <strong>Juden</strong> Geld genug haben, um Brillanten und Perlen zu<br />

kaufen. Und einmal habe ich das auch laut gesagt. Da hat mich der Herr Zwirner angelacht und gesagt:<br />

›Herr Mauler, sei'n Sie kein Narr, sondern froh darüber, daß die <strong>Juden</strong> kaufen und das Geld unter die<br />

Leute bringen. Oder möchten Sie es lieber haben, daß auch die <strong>Juden</strong> ihr Geld vergraben und verstecken<br />

wie die Bauern? Sie werden sehen, wenn das mit dem Antisemitismus so weitergeht, so werden die<br />

reichen <strong>Juden</strong> auswandern und dann können die Geschäftsleute sperren!‹<br />

Na und jetzt sind nicht nur die reichen, sondern auch die armen <strong>Juden</strong> ausgewandert und wir sind richtig<br />

alle kapores!«

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