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Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden - The new Sturmer

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9. Kapitel<br />

Das Ende der Hakenkreuzler<br />

Dr. Schwertfeger hatte kurz nach der Ausweisung der <strong>Juden</strong> in einer politischen Versammlung gesagt,<br />

daß nunmehr, wo die Feinde des arischen Geistes nicht mehr in Österreich weilen, eine Annäherung der<br />

verschiedenen Parteigruppen, eine Milderung der politischen Gegensätze von selbst eintreten würde.<br />

Es schien, als sollte er recht behalten. <strong>Die</strong> Sozialisten, durch den Ausfall der letzten Wahlen fast<br />

vernichtet, durch die Ereignisse betäubt und verwirrt, durch die Ausweisung ihrer tüchtigsten Köpfe,<br />

besten Journalisten und temperamentvollsten Führer beraubt, verhielten sich schweigend, beschlossen,<br />

vorläufig nicht aus ihrer aufgezwungenen Reserve herauszutreten. Und die prinzipiellen Gegensätze<br />

zwischen den Deutschnationalen und den Christlichsozialen begannen tatsächlich zu verschwinden.<br />

Nach der Ausweisung verwandelte sich ganz Wien in ein Heerlager von Hakenkreuzlern. Fast alle<br />

Männer und Frauen, die Halberwachsenen und die Kinder trugen das Abzeichen, das man auf allen<br />

Plakaten, auf den Fahnen und Emblemen sah. Da es aber schließlich auch jeder »Pülcher« und ertappte<br />

Taschendieb trug und es in den Polizeiberichten immer wieder hieß: »Der Verhaftete trug ein<br />

Hakenkreuz«, begannen die intelligenteren Menschen es abzulegen, ihnen folgten die Bürger und die<br />

großen Massen.<br />

Sehr bald zeigte es sich, daß alle diese Parteien, die Christlichsozialen wie die Nationalsozialisten, nur<br />

darauf aufgebaut waren, daß man den Massen die <strong>Juden</strong> als bösen Geist, als Wauwau und Prügelknaben<br />

darbot. Nun, wo es weder <strong>Juden</strong> noch <strong>Juden</strong>stämmlinge in Österreich gab, verfing das nicht mehr, wurde<br />

die Parteipolitik noch öder und langweiliger, als sie es vorher gewesen war.<br />

Elend, Teuerung, Arbeitslosigkeit wuchsen, und die Führer waren in Verlegenheit, weil sie nicht wußten,<br />

wem sie die Schuld daran geben sollten. <strong>Die</strong> reichen Leute waren ja jetzt brave Christen, die Ausbeuter<br />

und Wucherer auch, das heißt, man durfte von solchen Menschen gar nicht sprechen, weil man sonst<br />

hätte zugeben müssen, daß es christliche Wucherer und Ausbeuter genauso gibt wie jüdische.<br />

Früher hatten die Hakenkreuzler mit ihren Plakaten Aufsehen erregt, die Massen aufgehetzt. Bosel und<br />

andere jüdische Plutokraten waren als Beherrscher Österreichs, als Blutsauger und Volksbedrücker<br />

ausgerufen worden. Nun aber lebte Bosel in London und die Plakate der Hakenkreuzler waren so<br />

inhaltlos geworden, daß sie niemand mehr las.<br />

<strong>Die</strong> Zeitungen mit dem Hakenkreuz gingen in rascher Aufeinanderfolge ein, ihre Versammlungen<br />

blieben leer, dem Parteifonds floß kein Geld mehr zu, es ging den Führern um so schlechter, als sie nicht<br />

mehr reiche <strong>Juden</strong> schröpfen konnten, es keine jüdischen Banken mehr gab, die ihnen Geld schenkten.

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