Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Verachtung und Zorn genug geben. Außerdem sei zu bedenken, welche Folgen dies für die<br />
Stabilität der Herrschaft in allen hundertsiebenundszwanzig Ländern haben könnte, wenn alle<br />
Frauen ihren Gebietern in Zukunft den Gehorsam verweigerten.<br />
Das Rezept zur Behebung des allgemeinen Notstands lieferte Memuchan gleich mit: Gefällt<br />
es dem König, so lasse man ein königliches Gebot ausgehen und unter die Gesetze der Perser und<br />
Meder aufnehmen, so daß man es nicht aufheben darf, daß Vasthi nicht mehr vor den König<br />
kommen dürfe und der König ihre königliche Würde einer anderen geben solle, die besser ist als<br />
sie. Und wenn dieser Erlaß des Königs, den er geben wird, bekannt würde in seinem ganzen<br />
Reich, welches groß ist, so würden alle Frauen ihre Männer in Ehren halten bei Hoch und<br />
Niedrig.<br />
Memuchan hatte hoch gespielt, aber gewonnen. Dem König blieb keine Wahl mehr. Das<br />
entsprechende Gesetz sollte sofort in Kraft treten. Somit war der König mit einem Paukenschlag<br />
seine <strong>Königin</strong> los. Was ihm in diesem Augenblicke blieb, war sein schwerer Kopf.<br />
*<br />
Im Laufe der täglichen Festlichkeiten waren alle Menschen auf den Beinen. Auch Arisai,<br />
der Sohn des königstreuen Gefolgsmannes Haman, streifte durch die Gegend. Ihm schwirrte zur<br />
Zeit nichts anderes im Kopf herum als seine schwarzhaarige Schöne aus dem Viertel der<br />
Wachsoldaten-Familien.<br />
Hadassa hatte es nicht weniger gepackt. Sie träumte schon von diesem feschen Sohn<br />
Hamans und machte sich gar keine Gedanken darüber, daß dieser junge Mann gesellschaftlich<br />
weit über ihr stand; abgesehen davon, daß sie ein Kind der Juden war. Diese Grenze zwischen<br />
Babyloniern und den ehemals gefangenen Juden war allerdings schon so verwischt, daß sie mehr<br />
in den Köpfen der Juden selbst als in denen der Gastgeber herumspukte. Und das lag in der<br />
Hauptsache daran, daß die Juden das angebotene Aufgehen im Volk der Babylonier nicht<br />
annahmen. Sie sonderten sich immer wieder ab; wollten ihr eigenes Stadtviertel haben, ihre<br />
Kultur und Gebräuche pflegen. Sie bauten sich damit ihr eigenes Ghetto, was dazu beitrug, daß<br />
die Schranken nicht aufgehoben, sondern die Unterschiede immer deutlicher aufgezeigt wurden.<br />
Die Juden kannten keinen Liebesgott, dafür hingen sie an Amuletten und allerlei<br />
Aberglauben. Und Hadassa ging es nicht anders. Vielleicht hatte sie gerade an einer Blume<br />
ausprobiert: kommt er?, kommt er nicht?, als plötzlich Arisai vor ihr stand. Sie hatte ihn gar nicht<br />
kommen sehen. Um so spontaner, ehrlicher war ihr Ausbruch der Freude. Sie strahlte übers ganze<br />
Gesicht und hob völlig unbewußt ihre Hände in seine Richtung an, was Arisai ebenso beglückt<br />
aufnahm und nach ihren Händen griff: "Endlich sehe ich dich wieder!" Mehr bekam er nicht<br />
heraus. Romantik schien seine starke Seite zu sein. Oder war es eher seine schwache Seite?<br />
Hadassa sah nur in die blauen Augen Arisais, den sie seit der ersten Begegnung nicht mehr<br />
hatte vergessen können. Wie glücklich sie aussah!<br />
- 29 -