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Mardochai war in einer Gemütsverfassung zwischen Bangen und Hoffen herbeigeeilt.<br />
Hegai gegenüber verbarg er alle Regungen. Er begrüßte ihn nicht mehr devot, wie es früher gang<br />
und gäbe war, sondern eher herablassend, aber immerhin noch freundlich.<br />
Esther empfing Mardochai mit einer inneren Ruhe, die sie nach außen strahlte, und die man<br />
ihr vor einem guten Jahr nicht zugemutet haben würde.<br />
"Esther, mein Kind, du hast mich zu ungewöhnlicher Zeit rufen lassen. Was ist geschehen?<br />
Ich bebe innerlich vor Erwartung und Ungewißheit. Ist irgend etwas schiefgegangen?"<br />
"Mein lieber Onkel Mardochai, warum regst du dich so auf?! Ich habe in mir die<br />
Fähigkeiten unseres Volkes entdeckt, sich den ungewöhnlichsten Gegebenheiten gut anzupassen.<br />
Heute früh glaubte ich, den König bereits so weit in meinem Bann zu haben, daß er unseren<br />
gemeinsamen Feind, Haman, gleich an den Galgen würde knüpfen lassen. Diese Freude hat er mir<br />
noch nicht bereitet. Er scheint große Zweifel zu haben, was er von dem veröffentlichten "Susa-<br />
Protokoll" zu halten habe. Schließlich hat Haman über fünfzig Jahre dem babylonischen Reich<br />
und dem Königshaus treu gedient. Da kostet es ihn schon einige Überwindung, ihn plötzlich<br />
fallenzulassen."<br />
"Ja, und wie soll es nun weitergehen? Hast du bereits einen Ausweg gefunden? Sollen wir<br />
Haman mit einer weiteren Fälschung ein Bein stellen?"<br />
"Das wird nicht nötig sein. Ich wollte dich jetzt nur davon unterrichten, daß alles nach<br />
deinem Plan und dem des Zentralrats der Juden von Babylon laufen wird. Der von euch<br />
vorgesehene Zeitpunkt des Losschlagens kann eingehalten werden. Ich hoffe, daß die von euch<br />
geplanten Anfangsmorde ohne Schwierigkeiten ablaufen. Den König werde ich soweit bringen,<br />
daß er meine Mithilfe nicht entdeckt und daß die Mordaktionen reibungslos durchgeführt werden<br />
können."<br />
"Gelobt sei Gott der Gerechte! Möge der Herr uns die Kraft und die Geschicklichkeit<br />
geben, daß wir seinen Wunsch erfüllen und sein auserwähltes Volk von den babylonischen<br />
Patrioten befreien können! Amen!"<br />
Mardochai umarmte <strong>Königin</strong> Esther etwas länger als sonst. Beide flüsterten sich mit Inbrust<br />
gegenseitig ins Ohr: "Viel Massel!"<br />
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*<br />
Und als der König mit Haman zu dem Mahl kam, das <strong>Königin</strong> Esther bereitet hatte, sprach<br />
der König zu Esther auch an diesem zweiten Tage, als er Wein getrunken hatte, mehr als er<br />
vertragen konnte:<br />
"Was bittest du <strong>Königin</strong> Esther, das man dir geben soll? Und was begehrst du? Wäre es<br />
auch das halbe Königreich, es soll geschehen."