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Eine Königin läßt morden

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immer als unberechenbar. Aber das war eben das Los der Ratgeber und Hohen Herren in einem<br />

großen Reich: Wer hoch gestiegen war, konnte auch tief fallen. So war halt das Leben. Und wer<br />

lange genug lebte, der konnte diesen Rhythmus selbst feststellen; entweder als Zuschauer oder als<br />

Betroffener. Und jeder mögliche Betroffene sorgte sich allein darum, daß er nur die<br />

Schönwetterperioden erleben müßte und nicht die Zeit der Katastrophen.<br />

Da sich die Großen, die Gelehrten und Ratgeber des Königs für die Zeit der<br />

hundertachtzigtägigen Festlichkeiten sowieso im Schloß von Susa aufhielten, waren sie<br />

augenblicklich zu erreichen, wenn es der Herrscher verlangen sollte. Und aus dem unsicheren<br />

Grunde, wie der Gebieter wohl am nächsten Morgen nach dem gewaltigen Ereignis der<br />

Absetzung der <strong>Königin</strong> Vasthi über dieses Problem denken würde, hatten sich viele bereits zu<br />

Gruppengesprächen zusammengefunden. Sie rätselten herum, und jeder überlegte bereits für sich,<br />

wie man gegebenenfalls seinen Kopf aus der Schlinge ziehen könnte. Jeder war sich dabei selbst<br />

der Nächste. Im stillen war jeder für jeden Verrat bereit, um seinen eigenen Hals zu retten.<br />

<strong>Eine</strong> gewaltige Erleichterung schien durch das ganze Schloß spürbar zu sein, als die Kunde<br />

vom Erwachen des Königs die Runde machte, und daß er alles, was geschehen war, anerkenne<br />

und jetzt auf weitere Vorschläge seiner Spezialisten für außergewöhnliche Fälle warte.<br />

Im großen Audienzsaal standen im Halbkreis alle Edlen und Obersten der<br />

hundertundsiebenundzwanzig Länder um den erhöhten Thron. Die wichtigsten Ratgeber und<br />

Rechtsgelehrten befanden sich in nächster Nähe des Herrschers, der durch eine verdeckte Tür von<br />

hinten kommend das Podium betrat. Seine Leibgarde aus baumlangen Kerls hatte links und rechts<br />

von ihm Aufstellung genommen.<br />

"Ewig lebe der König Ahasveros!" klang es vielstimmig durch die Halle.<br />

Dem Wortführer der Weisen, der in der letzten Nacht dem König diese folgerichtigen<br />

Ratschläge erteilt hatte, Memuchan, gab der Herrscher ein Zeichen, damit er seine bereits<br />

abgesprochenen Maßnahmen bekanntgeben sollte.<br />

"Um im ganzen Reiche eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten und damit Ruhe<br />

und Ordnung im Lande bestehen bleiben, werden die Befehle der Majestät, die zur Absetzung der<br />

<strong>Königin</strong> Vasthi führten, zum Gesetz erhoben. Was aber für eine <strong>Königin</strong> gilt, soll erst recht für<br />

alle anderen Untergebenen gelten. Der Ungehorsam der Frauen gegenüber ihren Gebietern muß<br />

für immer unterbunden werden.<br />

Dieses Gesetz soll sofort in Kraft treten. Es werden Schreiben ausgesandt in alle Länder des<br />

Königs, in jedes Land nach seiner Schrift und zu jedem Volk nach seiner Sprache, daß ein jeder<br />

Mann der Herr in seinem Hause sei! Wir halten dieses Gesetz für klug und weise und bekunden<br />

dies unserem Herrscher!"<br />

"Ewig lebe König Ahasveros!" rauschte dieser Ruf wie eine riesige Woge der Erleichterung<br />

lautstark durch den Saal.<br />

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