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"Nun werde ich euch allein lassen. Mein liebes Kind, du wirst dir all das genau anhören und<br />
für dich bewahren, was dir Hathachi, unsere weise Frau, an guten Ratschlägen auf den Weg geben<br />
wird. Ich bin sicher, daß sie dir die Voraussetzungen zum Gelingen unseres Vorhabens<br />
erfolgreich erklären kann." Er gab Hadassa einen Versöhnungskuß auf die Stirn und verließ den<br />
Raum.<br />
Hathachi hatte sich dicht zu Hadassa herangesetzt und ihre Hände gefaßt. Sie wollte sich<br />
bemühen, Hadassas Vertrauen zu gewinnen und meinte, den gesuchten Ton einer Mutter zu<br />
finden, die Hadassa bis heute sicherlich vermißt haben dürfte.<br />
"Was geschehen ist, das ist geschehen, mein Kind. Man kann es nicht mehr ändern.<br />
Bedenke auch, daß unser Volk nicht erst mit dir zu leben begonnen hat. Vor mir, vor dir, hat es<br />
schon eine unendliche Kette von Frauen gegeben, die ein ähnliches Schicksal zu tragen hatten.<br />
Deines ist bei weitem nicht das schwerste. Auch brauchst du dich nicht zu schämen, weil dein<br />
Verlust nun herausgekommen ist. Was meinst du wohl, wie viele Frauen diese fehlende<br />
Jungfräulichkeit ihren Männern verheimlicht haben?! Eins mußt du wissen: Die Männer meinen<br />
zwar, daß sie die Klügsten wären, was natürlich nicht stimmt. Die Männer sind alle dümmer als<br />
wir Frauen! Aber das wollen wir für uns behalten und entsprechend handeln, wenn es die Lage<br />
erfordert. Wir wollen sie immer in ihrem Glauben lassen. Somit gibt es keine Debatten. Sie sollen<br />
recht behalten und wir unsere Ruhe!"<br />
Hathachi hatte sehr, sehr langsam und eindrucksvoll gesprochen. Hadassa schien ihr folgen<br />
zu können. <strong>Eine</strong>n Punkt wollte Hathachi aber noch unbedingt erwähnen. Das Problem des<br />
Herzens bei der ersten Liebe.<br />
"Ich bin nicht nur eine alte Frau, sondern auch eine erfahrene. Wenn ich dir heute etwas<br />
erzähle, so vertraue ich dir damit auch Geheimnisse an, die sonst niemand kennt. Du darfst daraus<br />
schließen, daß ich dich für eine besondere Persönlichkeit halte, der bald große Macht zukommen<br />
wird. Abgesehen davon, daß eine ganze Reihe unserer Urmütter unsere Urväter nach Strich und<br />
Faden betrogen haben, will ich dir gestehen, daß auch mein Mann, Gott hab ihn selig, nicht mein<br />
erster Mann war. Ich habe ihn aber bis über seinen Tod hinweg dies glauben lassen. Es war eine<br />
fromme Lüge. Gott der Gerechte wird sie mir verzeihen."<br />
Hadassa schaute ihre ältere Freundin mit großen Augen an. Dann mußte sie fragen:<br />
"Hast du denn jemals deinen Mann, deine erste Liebe, den Mann, der dich, nun, du weißt<br />
schon, je vergessen können?"<br />
"Gott der Gerechte, und wie ich ihn vergessen habe! An gar nichts kann ich mich mehr<br />
erinnern. Ich weiß nicht mehr, wie er hieß, ich weiß nicht, woher er kam, ich weiß nicht einmal<br />
mehr, wo es geschehen ist. Es ist mir fast so, als wäre das niemals geschehen."<br />
"Und meinst du denn, ich könnte diesen Mann, den ich doch so sehr liebe, wirklich<br />
vergessen?"<br />
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