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"Du weißt, o König, daß ich mit meinem ganzen Leben für dich eintrete. Es sollte mir zur<br />
Ehre gereichen, wenn es mir vergönnt ist, dir eine Hilfe zu sein. Sage mir, was ich für dich tun<br />
kann. Ich will deine Wünsche erfüllen und sollten sie mein Leben kosten."<br />
König Ahasveros war gerührt. Der Anblick Esthers, ihre Worte und auch der Wein<br />
bewirkten in ihm eine seltsame Stimmung von Weltschmerz. Er wollte weder Esther noch seinem<br />
treuen Fürsten Haman wehtun. Er fühlte sich unsicher, hilflos. Es drückte ihn die Verantwortung,<br />
irgendwann eine Entscheidung treffen zu müssen. Und die wollte er hinausschieben.<br />
"<strong>Königin</strong> Esther, du kannst dir meiner Liebe und Hochschätzung sicher sein. Deine innere<br />
Not wegen dieses "Susa-Protokolls" habe ich wie einen körperlichen Schmerz gespürt. Und auch<br />
ich würde mit meinem Leben für deines einstehen, wenn es erforderlich wäre. Bedenke aber, daß<br />
Fürst Haman über fünfzig Jahre unserem Reiche gedient hat, treu und selbstlos. Es fällt mir<br />
schwer zu glauben, daß er mich betrügt. Darum bitte ich dich, mir bei der Prüfung seiner<br />
Ergebenheit zu helfen."<br />
"Erhabener Gebieter, ich leide mit dir bei deiner schweren Last der Verantwortung. Ich<br />
hörte von der Ergebenheit des Fürsten Haman gegenüber dir und deinem Reich. Gern will ich dir<br />
helfen, zu einer gerechten Entscheidung zu kommen. Deshalb bitte ich dich, mir zu erlauben, daß<br />
ich für die in Susa anwesenden Großen des Reiches morgen ein Mahl gebe, zu dem natürlich<br />
auch Fürst Haman eingeladen wird. Vielleicht hilft uns dann dieser Tag Klarheit zu finden in<br />
allen Fragen."<br />
Überglücklich, eine so einfühlsame <strong>Königin</strong> an seiner Seite zu haben, stimmte der König<br />
erleichtert zu.<br />
"Esther, <strong>Königin</strong> aller <strong>Königin</strong>nen, du bist in deinen Ratschlägen unübertroffen. Ich bin dir<br />
zutiefst dankbar für deine Hilfe. Durch deine einfühlsame Art werde ich den heutigen schweren<br />
Tag besser überstehen. Ich danke dir für dein Erscheinen und überlasse es deiner Entscheidung,<br />
jetzt zu gehen oder bei mir zu bleiben."<br />
"Erhabener König aller Könige, ich weiß die Ehre zu schätzen, indem du mir die Wahl<br />
über<strong>läßt</strong>. Verstehe jedoch, daß ich für den morgigen Tag noch eine Menge Anordnungen zu<br />
treffen habe, damit das Mahl zu deiner Zufriedenheit ausfällt."<br />
*<br />
Als Esther wieder in ihren Gemächern war, schickte sie eilends zu Mardochai, ihren<br />
Pflegevater, ihn in den Palast zu bitten. Ihre Bediensteten waren so in ihrem Bann, daß es<br />
niemand mehr wagte, sich über Ungewöhnliches Gedanken zu machen. Alle erfüllten ihre<br />
Befehle mit größter Unterwürfigkeit. Es schien ihnen eine besondere Ehre zu sein, einer<br />
babylonischen <strong>Königin</strong> jüdischen Geblüts zu dienen. Jeder persönliche Stolz war längst<br />
dahingeschmolzen. Jeder paßte sich der unübersehbaren Fremdenfreundlichkeit und der<br />
Ablehnung gegenüber den Angehörigen des eigenen Volkes an. Dies unbegreifliche Gehabe hatte<br />
wie eine grassierende Krankheit um sich gegriffen.<br />
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