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Der König aller Könige, Ahasveros, steckte mitten in seiner schweren Aufgabe, die ersten<br />
Kandidatinnen für das angestrebte Amt der neuen <strong>Königin</strong> aller <strong>Königin</strong>nen zu "prüfen". Die<br />
Prüfungstermine hatte er regelmäßig auf die Nacht verlegt. Ein Schuft, wer Schlimmes dabei<br />
denkt! Es war ihm durchaus daran gelegen festzustellen, ob man die Anwärterinnen auch<br />
ausreichend auf Umgangsformen in den verschiedensten Bereichen gedrillt hatte. Ob sie auch in<br />
der Lage waren, mit ihm, dem König, und anderen Hohen Herren ein Gespräch zu führen.<br />
Das Tragen des passenden Schmucks zu den unterschiedlichen Anlässen und Garderoben<br />
lag dagegen in der Verantwortung der Hofdamen, wie überhaupt das ganze äußere<br />
Erscheinungsbild. Damals bereits gab es in den feinen Kreisen bestallte Visagisten, die sich auf<br />
die Hohe Kunst des Make-ups verstanden. Diese Fachleute wußten, wie man die Brauen<br />
geschickt nachzog, die Haut tönte und den Mund zum Glühen brachte.<br />
Deshalb war es möglich, bei allem Risiko, das damit verbunden war, die eine Anwärterin<br />
etwas vorteilhafter herauszustellen als die andere. Hierin hatte Hegai jedoch die Oberaufsicht,<br />
und er war pfiffig und aufmerksam, aber auch streng genug, um sein persönliches Spiel zielsicher<br />
zu verfolgen.<br />
<strong>Eine</strong> ganze Reihe von Damen - es mögen so an die vierzig gewesen sein - hatte der<br />
Herrscher in mühevollen Teststunden zum Wohle des Reiches Babylon bereits ausgemustert und<br />
in das Frauenhaus zur möglichen späteren aushilfsweisen Verwendung entlassen, als bei Hegai<br />
der Zeitpunkt erreicht war, daß er sich darauf konzentrieren mußte, für Esther die richtige Nacht<br />
zu finden.<br />
Natürlich hatten Mardochai und Esther bei ihren täglichen, heimlichen Gesprächen die<br />
Anweisungen der Hathachi sorgfältig ins Kalkül gezogen, ohne Hegai über alle Einzelheiten ins<br />
Bild zu setzen. Das wäre zu riskant gewesen. Deshalb war auch alles entsprechend dem ersten<br />
Vorschlag Hathaschis abgestimmt worden und nach einigen Generalproben war man zu dem<br />
Entschluß gekommen, dabei zu bleiben.<br />
Hegai sprach Mardochai eines Tages an:<br />
"Verehrter Mardochai, ich habe dem König inzwischen eine ganze Anzahl von Jungfrauen<br />
zur königlichen Prüfung zugeführt. Erwartungsgemäß wurden alle in die allgemeinen<br />
Frauenhäuser entlassen. Die Anwärterinnen waren dabei nicht nur sehr unterschiedlich in ihrem<br />
äußeren Erscheinungsbild, sondern auch darin, was ihre übrigen Qualitäten betrifft."<br />
"Und," fragte Mardochai aufgeregt neugierig, "wie schätzt du die Lage ein? Du sagst, der<br />
König hat alle Jungfrauen bisher verworfen. Hängt ihm diese Abwechslung nicht langsam zum<br />
Halse heraus, so daß er zum Schluß sagen könnte: Jetzt habe ich genug! Ich verzichte auf eine<br />
neue <strong>Königin</strong>!?"<br />
Hegai hatte bereits beschwichtigend abgewinkt: "Alles habe ich genau überdacht und fest<br />
im Griff. Der König ist in diesen Tagen gerade in der richtigen Stimmung, ihm eine<br />
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