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So ließ er erst einmal alles stehen und liegen und ging zum königlichen Verwalter der<br />
Liegenschaften. Dort wollte er sich erkundigen, ob irgendwo eine andere Wohnung zu haben sei.<br />
Er mußte raus aus diesem Viertel 3. Klasse. Geld hatte er genug angesammelt. Es reichte nicht<br />
nur für den Erwerb eines eigenen Hauses, sondern er wäre sogar in der Lage, einen königlichen<br />
Beamten notfalls zu "schmieren".<br />
Er hatte auf Anhieb Glück: Das Haus eines gehobenen Bediensteten beim Schloß war durch<br />
Versetzung freigeworden. Er brauchte den Verwalter auch nicht zu bestechen. Der Ruf des<br />
wendigen bis windigen Gärtners als Meister aller undurchsichtigen Geschäfte genügte, um<br />
Hoffnungen auf gute Beziehungen zu erwecken. So kam Mardochai zu einem hübschen Haus in<br />
der Kolonie der gehobenen Beamten, für das er nur ein geringes Entgelt in bestimmten Abständen<br />
zu entrichten hätte. Dies weckte bei dem Verwalter die Aussicht, in einträglichem Kontakt mit<br />
diesem tüchtigen Mann zu bleiben.<br />
Mardochai hatte auch schon damit begonnen, seine äußerlichen jüdischen Merkmale<br />
abzulegen. In seinem nationalen Lager und Freundeskreis war diese Entwicklung schon lange zu<br />
beobachten. Damit wurde dem eigentlichen Ziel zugearbeitet: Sich äußerlich dem Gastvolk<br />
anzupassen und damit in der Öffentlichkeit unauffälliger zu sein. Andererseits blieb alles bei der<br />
inneren Einstellung: Die Menschen des Gastvolkes galten weiterhin als Ungläubige; die eigene<br />
Auserwähltheit wurde durch konspirative Tätigkeiten gefestigt. Damit rückte Mardochai auf dem<br />
schnellsten Wege in eine bessere Position, und er konnte nun beruhigt seiner hauptamtlichen<br />
Tätigkeit zustreben.<br />
Wie immer mußte er dafür sorgen, daß die Häuser der Frauen mit Blumen beliefert wurden.<br />
Ein Gespräch mit Hegai, dem Obereunuchen und Hüter der Frauen, war deshalb nichts<br />
Außergewöhnliches. Es ergab sich auch Gelegenheit, diesen bedauernswerten menschlichen<br />
Wallach eingehender zu beobachten. Wenn Hegai auch keinerlei Absichten bezüglich Frauen<br />
hatte, so blieben ihm doch noch andere Schwächen erhalten. Er liebte Edelsteine und besaß davon<br />
eine stattliche Sammlung. Woher er sie hatte, blieb sein Geheimnis.<br />
Wie es mit leidenschaftlichen Sammlern so ist, verliert die Freude an diesen Schätzen im<br />
Laufe der Zeit seinen Reiz, wenn man auf die Dauer allein damit bleibt und nicht damit prahlen<br />
kann. So erging es also auch Hegai. Wem sollte er sich schon anvertrauen? Seinen zu behütenden<br />
Damen? Das war unmöglich! Da hätten sich bald irgendwelche Komplikationen ergeben. Die<br />
anderen Eunuchen, die ihm unterstellt waren, erschienen ihm unter seiner Würde. Auch fehlte<br />
diesen "Männern" eben die Wucht einer männlichen Erscheinung. Schon diese piepsenden<br />
Stimmen gingen ihm auf die Nerven. Ja, sicher, er piepste ebenso, aber das war etwas anderes. Er<br />
war ja der Obereunuche und Hüter der Frauen!<br />
Das zurückhaltende Gehabe des Fremden, das Mardochai verbreitete, und das wie selbstlos<br />
erscheinende Bemühen, erweckten bei Hegai das besondere Vertrauen. Es ließ ihn eines Tages<br />
das Schweigen über seine Schätze brechen.<br />
Mardochai war wieder einmal mit einem Gehilfen und seinem ganzen Karren voll schönster<br />
Blumen am Haupthaus der Frauenhäuser erschienen, als ihn Hegai bat, zu ihm in seine<br />
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