Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Der König selbst saß wie eine Statue da. Er hatte keine andere Äußerung erwartet.<br />
Memuchan, auf der untersten Stufe zum Thron stehend, war von allen gut zu sehen. Als die<br />
Erregung abgeebbt war, hob er leicht seinen rechten Arm und begann wieder zu sprechen:<br />
"Unser Herrscher und Gebieter hat weiterhin angeordnet, daß der Notstand des Reiches<br />
ohne <strong>Königin</strong> baldigst zu beheben sei. Aus diesem Grunde habe ich nach Beratung mit unseren<br />
Weisen folgendes anzuordnen: Man suche dem König schöne Jungfrauen, und der König bestelle<br />
Männer in allen Ländern seines Königreichs, daß sie alle schönen Jungfrauen zusammenbringen<br />
auf das Schloß zu Susa ins Frauenhaus unter die Hand Hegias, des königlichen Kämmerers, des<br />
Hüters der Frauen, und daß man ihre Schönheit pflege; und das Mädchen, das dem König gefällt,<br />
werde <strong>Königin</strong> an Vasthis Statt." Das gefiel dem König, und er nickte zustimmend.<br />
"Ewig lebe der König!" schallte es vielstimmg durch die Halle, daß man es bis draußen<br />
hören konnte. Und der König reagierte auf diese angenehmen Aussichten mit einem huldvollen<br />
Lächeln.<br />
Noch etwas mußte Memuchan hinzufügen: "Die Ausbildung der Anwärterinnen auf den<br />
Königsthron sollte ein Jahr in Anspruch nehmen. Danach werde sich der König entscheiden."<br />
Wieder erscholl der Ruf: "Ewig lebe der König!"<br />
Erleichtert und glücklich waren die Gefühle aller Anwesenden, die an dieser Versammlung<br />
teilgenommen hatten. - Das große Fest konnte seinen Fortgang nehmen.<br />
*<br />
Wie ein Flächenbrand verbreiteten sich die sensationellen Neuigkeiten. "<strong>Königin</strong> Vasthi ist<br />
abgesetzt!" Wenn es damals Zeitungen gegeben hätte, so wären die Straßen mit Extrablättern<br />
übersät gewesen. So aber schrie man sich diese Neuigkeit einfach einander zu. Keiner brauchte<br />
dafür zu bezahlen. Und alle Welt erfuhr davon! Jeder reagierte für sich und entsprechend seinem<br />
Mitgefühl. Viele kannten die <strong>Königin</strong> Vasthi vom Sehen, (das erzählten diese Leute, obgleich<br />
ihnen keiner glaubte, denn die <strong>Königin</strong> hätte man höchstens verschleiert zu Gesicht bekommen<br />
können) wenn auch nur aus großer Entfernung, noch mehr aber "kannten" sie alle vom<br />
Hörensagen. Sie soll eine wunderschöne Frau sein, wie es keine zweite gibt! Und sie soll huldvoll<br />
gegen ihre Untergebenen sein! Jetzt soll sie einfach nicht mehr <strong>Königin</strong> sein? Und was noch<br />
schlimmer ist: Sie darf für den Rest ihres Lebens den Palast und ihre Gemächer nicht mehr<br />
verlassen. Welch ein schreckliches Schicksal!<br />
Aber andere waren bereits weiter mit ihren Gedanken. Sie hatten sich mit dem<br />
Geschehenen abgefunden und waren mit ihren Überlegungen schon bei der neuen <strong>Königin</strong>. Wer<br />
wird es werden? <strong>Eine</strong> aus dem Schloß Susa, die bereits im Frauenhause wohnt? Die<br />
verschiedensten Gerüchte schwirrten durch die heiße Sommerluft. Allen möglichen<br />
Spekulationen wurde freier Lauf gelassen. Die meisten hofften auf friedliche Zeiten; daß es nicht<br />
zu Unstimmigkeiten unter den Großen der vielen Völker kommen werde, denn der Kleine Mann<br />
- 34 -