Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
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Das Informationsangebot <strong>und</strong> damit die Erwartungen der Lehrer an die<br />
Eltern, Erziehungsverantwortung auch im schulischen Kontext zu übernehmen,<br />
wird jedoch nach der Schilderung des Lehrers von der Mutter ausgeschlagen,<br />
<strong>und</strong> das vermeintliche Erziehungsdefizit des Sohnes abgestritten<br />
(„da hat sich die Mutter eben im Direktorat beschwert ja wie man ihren<br />
Sohn sieht <strong>und</strong> äh (3) dass sie das einfach nicht akzeptieren will“). Eigentlich<br />
schulrechtlich irrelevante Themen erlangen in diesem Fall den Stellenwert<br />
von schulrechtlichen Fragen (wie z.B. die Notengebung), bei denen im<br />
Streitfall die Schulleitung einzuschalten ist. Der Lehrer interpretiert damit<br />
die Reaktion der Mutter nicht nur als unverhältnismäßig, sondern auch als<br />
Verweigerung einer Zusammenarbeit <strong>und</strong> einer Unterstützung der Lehrer in<br />
Erziehungsfragen („einfach das Problem weg geschoben […] <strong>und</strong> jetzt sollen<br />
wir´s richten“). Schuldzuweisungen der Eltern an die Schule sind daher<br />
die Folge fehlendem (Mit-)Verantwortungsbewusstsein für Erziehungsprobleme<br />
in der Schule („[wenn] die Mutter bei bestimmten Anlässen halt die<br />
Schuld bei der Schule sucht dann wird´s hier schwierig“).<br />
Eltern<br />
Schuldzuweisung<br />
1. Information<br />
Lehrer<br />
2. keine<br />
Kommunikation<br />
SchülerIn<br />
3. keine Reaktion<br />
Abb. 16: Fehlende Erziehungsmitverantwortung der Eltern<br />
An diesem Beispiel dokumentiert sich daher eine Orientierung an einem<br />
ganzheitlichen Bildungsanspruch der Lehrer, für den die Erziehungsmitverantwortung<br />
der Eltern konstitutiv ist. Bleibt jedoch die Orientierung der<br />
Mutter allein auf die hohe Schulqualifikation ihres Sohnes gerichtet, wie der<br />
Lehrer vermutet, wenn er die Situation vor dem Hintergr<strong>und</strong> des gesellschaftlichen<br />
Erwartungsdrucks der Eltern deutet, dann kann die Ganztagsschulbildung<br />
ihre Wirkung nicht entfalten, was auch Folgen für die Schullaufbahn<br />
im weiteren Sinn haben kann:<br />
„(D)as größte Problem ist ja in meinen Augen das wird ja immer nie<br />
so gesehen dass auf einmal eine Schulkarriere beendet ist (.) Und das<br />
in einem Alter in dem der Schüler oder die Schülerin nicht weiß wohin<br />
will ich überhaupt (.) Und dann abzugleiten das halte ich für sehr<br />
problematisch (.) Und deswegen ist ja auch immer so der Blick jetzt<br />
nicht unbedingt auf Noten aber eben geht das noch dass eine Schullaufbahn<br />
weitergeht weil es ist echt desaströs wenn ein Schüler in der<br />
9. Klasse oder nach einer 9. Klasse oder zum Halbjahr der 10. Klasse<br />
abgeht ohne irgendeinen Abschluss der kann ja nicht mal Tankwart<br />
werden weil dafür musst du Einzelhandelskaufmann sein (.) das ist<br />
das Problem <strong>und</strong> da treffen halt manchmal Persönlichkeitsentwick-<br />
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