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Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

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hältnis qua sozialer oder biologischer Elternschaft nicht revidierbar ist <strong>und</strong><br />

– unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung – in der Regel zeitlebens<br />

bestehen bleibt“ (Jürgens 2001, S. 38). Charakteristisch für Zweierbeziehungen<br />

ist, dass die Beziehungsqualität ständig auf dem Prüfstand steht<br />

bzw. im Sinne des symbolischen Interaktionismus der Reproduktion gemeinsamer<br />

Deutungsmuster der gemeinsamen sozialen Wirklichkeit bedarf<br />

(vgl. Berger/Kellner 1965). Das impliziert, dass jedes <strong>Familie</strong>nmitglied –<br />

wenn auch nicht physisch – zumindest in der Wahrnehmung der anderen<br />

<strong>Familie</strong>nmitglieder präsent ist <strong>und</strong> damit deren Denken <strong>und</strong> Handeln beeinflusst<br />

(vgl. Lenz 1998).<br />

Die Herstellung von Gemeinschaft beruht demnach sowohl auf einer<br />

Vereinbarkeit verschiedener subjektiver Perspektiven <strong>und</strong> Einstellungen als<br />

auch auf einer Vereinbarkeit der individuellen Lebensführungen im Sinne<br />

einer Balance <strong>zwischen</strong> Gemeinsamkeit <strong>und</strong> Autonomie („doing family“). 15<br />

Zur Herstellung von Gemeinschaft als <strong>Familie</strong> gehört auch die Abgrenzung<br />

nach außen bzw. die soziale Repräsentanz der <strong>Familie</strong>, die Symbolcharakter<br />

besitzt („displaying family“).<br />

1.3.1.2 <strong>Familie</strong> als Verschränkung individueller Lebensführungen<br />

Die Frage, wie die verschiedenen Interessen <strong>und</strong> individuellen Raum-Zeit-<br />

Pfade von Müttern, Vätern, Kindern verschränkt werden können, verweist<br />

auf die Praktiken des Herstellens des <strong>Familie</strong>nlebens, die wiederum durch<br />

die sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Bedingungen beeinflusst sind bzw. als<br />

Ausdruck der Auseinandersetzung mit diesen Bedingungen verstanden werden<br />

müssen (vgl. Jurczyk/Lange/Thiessen 2011). Eine wichtige Dimension<br />

ist die Generation, eine andere das Geschlecht.<br />

Geschlechtshierarchische Arbeitsteilungen 16 kommen dabei einerseits<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage von sozialen Praktiken der Zuschreibung aber auch institutionell<br />

17 zustande. Zu denken ist dabei an die institutionellen Vorgaben<br />

des Erwerbssystems oder die Ungleichheiten reproduzierenden Regelungen<br />

15 Neuere empirische Studien, wie diejenige von Christensen (2009), können nachweisen, dass<br />

die f<strong>und</strong>amentale Bedeutung der face-to-face-Interaktion für die Herstellung der <strong>Familie</strong>ngemeinschaft<br />

trotz der Expansion technologievermittelter Kommunikation erhalten bleibt. Allerdings<br />

könne die neue Technologie dazu beitragen, die Separierung <strong>und</strong> Fragmentierung des<br />

<strong>Familie</strong>nalltags zu überwinden <strong>und</strong> damit die physische Trennung zu überschreiten: „Thus,<br />

even the shortest and most intrumental call contribues to the continous flow of interactions that<br />

keeps intimate relations between family members alive, and the concept of connected presence<br />

helps to draw attention to the experience of interpersonal closeness engendered by families‟<br />

landline and mobile phone use” (Christensen 2009, S. 446). Der vormals beiläufige Austausch<br />

über Befindlichkeiten <strong>und</strong> Begebenheiten scheint mit Hilfe der technischen Entwicklung<br />

tendenziell der physischen Präsenz enthoben, verliert so aber seinen Charakter der Beiläufigkeit<br />

<strong>und</strong> muss daher zunehmend aktiv <strong>und</strong> bewusst hergestellt werden.<br />

16 Folgt man dem Konzept des „doing gender“, dann ist die Herstellung bzw. Konstruktion von<br />

Geschlecht als Ergebnis eines Interaktionsprozesses zu verstehen. Geschlecht, so Gildemeister<br />

(2004), wird nicht als persönliche Eigenschaft betrachtet, sondern als Ergebnis sozialer<br />

Praktiken der Geschlechterunterscheidungen (vgl. ebd., S. 132).<br />

17 Diesen wechselseitigen Prozess hat Goffman (1994) als „institutionelle Reflexivität“ beschrieben.<br />

D.h. die damit verb<strong>und</strong>enen Handlungs- <strong>und</strong> Verhaltensmuster können bereits durch institutionelle<br />

Bedingungen hervorgerufen werden.<br />

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