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Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

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<strong>Familie</strong> als Bildungsort eigene Relevanzen für <strong>Bildungsprozesse</strong> entwickeln,<br />

die wiederum positiven Einfluss auf die individuelle <strong>und</strong> kollektive Lebensführung<br />

nehmen können (vgl. Müller 2007, S. 148). Die Frage ist daher, wie<br />

eine konstruktive Zusammenarbeit im Kontext der <strong>Ganztagsschule</strong> gestaltet<br />

werden kann, ohne die Relevanzen der einen oder anderen Seite auszublenden.<br />

Bevor das Konzept der Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungspartnerschaft, wie es<br />

der Wissenschaftliche Beirat für <strong>Familie</strong>nfragen (2006) für den Ganztagsschulkontext<br />

empfiehlt, näher beleuchtet wird, soll der Diskurs um eine<br />

„wirkungsvolle“ Elternbeteiligung skizziert werden.<br />

2.3 <strong>Familie</strong> als Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungspartner<br />

Das Verhältnis <strong>zwischen</strong> Eltern <strong>und</strong> Lehrern hat sich im Zuge kultureller<br />

<strong>und</strong> sozialer Wandlungsprozesse zu einem spannungsvollen entwickelt:<br />

Während die <strong>Familie</strong> zunehmend von einer Informalisierung <strong>und</strong><br />

Instabilisierung der Generations- <strong>und</strong> Geschlechterbeziehungen betroffen<br />

ist, hat in der Schule eine Fokusverschiebung von einer umfassenden Bildungshaltung<br />

zu einer Leistungsorientierung stattgef<strong>und</strong>en (vgl. Busse/Helsper<br />

2007, S. 325f). Das hat zur Folge, dass das kulturelle Kapital der<br />

<strong>Familie</strong> in Form von Zertifikaten erst umgesetzt werden muss, um anerkannt<br />

zu werden (vgl. Brake/Büchner 2003). Busse <strong>und</strong> Helsper (2007)<br />

sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Differenztheorem“, das<br />

sich zudem in der Struktur der Beziehungsverhältnisse widerspiegelt: Die<br />

Lehrer-Schüler-Interaktion unterscheidet sich von der Eltern-Kind-<br />

Interaktion durch eine distanzierte, spezifische Sozialbeziehungen mit universalistischer<br />

Ausrichtung. Dagegen charakterisiert sich die Eltern-Kind-<br />

Interaktion als emotional-diffuse Sozialbeziehung, die partikularistisch ausgerichtet<br />

ist (vgl. ebd., S. 326).<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieses bereits strukturell angelegten problematischen<br />

Verhältnisses <strong>zwischen</strong> <strong>Familie</strong> <strong>und</strong> Schule wird argumentiert, dass<br />

die Kooperation <strong>zwischen</strong> Schule <strong>und</strong> <strong>Familie</strong> als Verständigung über unterschiedliche<br />

Rollen, Interpretationsformen sowie Unterstützungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> damit partizipativ zu organisieren sei (vgl. Melzer 1999). Die unterschiedliche<br />

soziale Logik beider Systeme wird als das eigentliche Problem<br />

im Hinblick auf eine zunehmende Dominanz der Schule gegenüber der <strong>Familie</strong><br />

betrachtet (vgl. Helsper et al. 2009, S. 36). Im Gegensatz dazu wird die<br />

Position vertreten, dass gerade die Differenz beider Systeme gr<strong>und</strong>legend<br />

für die Individuierung <strong>und</strong> Verselbständigung der Heranwachsenden ist. 36<br />

Wie zahlreiche qualitative jugend- <strong>und</strong> schulbiografische Studien bereits<br />

zeigen (vgl. Nittel 1992, Kramer 2002, Helsper 2004, Wiezorek 2005), ist<br />

36 Eine dritte Sichtweise lokalisiert das Problem bezüglich der Spannungen <strong>zwischen</strong> <strong>Familie</strong> <strong>und</strong><br />

Schule neben den konträren Beziehungsstrukturen auch auf einer politischen Ebene. Die g e-<br />

setzlichen Schulpflicht sei die Ursache für das spannungsvolle Verhältnis, die dem pädagogischen<br />

Handeln die Arbeitsgr<strong>und</strong>lage entzöge, wie Oevermann (2006) wie folgt ausführt: „Die<br />

Neugierde des Schülers ist das Äquivalent zum Leidensdruck des Patienten in der Konstitution<br />

von Arbeitsbündnissen einer professionalisierten Praxis. […] Durch die gesetzliche Schulpflicht<br />

wird diese Neugierde als Konstitutionsbedingung eines pädagogischen Arbeitsbündnisses<br />

systematisch aberkannt <strong>und</strong> disqualifiziert.“ (Oevermann 2006, S. 79).<br />

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