Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
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3. Auf Basis dieser wechselseitigen Öffnung tendieren daher drittens die<br />
Typen der Elternbeteiligung zu einer „individuellen Partnerschaft“ im<br />
Hinblick auf gemeinsame Fördermaßnahmen des Kindes, wie sie der<br />
Wissenschaftliche Beirat für <strong>Familie</strong>nfragen (2006, S. 82) beschreibt –<br />
jedoch ohne die systematische Beteiligung des Jugendlichen. Was dagegen<br />
die gemeinsame Bildungsverantwortung betrifft, bleibt in den von<br />
den Eltern <strong>und</strong> dem Schulpersonal übermittelten Erfahrungen noch diffus.<br />
4. Daher ist viertens davon auszugehen, dass die vom Wissenschaftlichen<br />
Beirat für <strong>Familie</strong>nfragen (2006, S. 81) angeregte Bildungspartnerschaft<br />
im Sinne der wechselseitigen Rückkopplung <strong>zwischen</strong> schulischen <strong>und</strong><br />
familialen Lernerfahrungen weniger Relevanz besitzt – aus Sicht der Eltern<br />
wie auch des Schulpersonals – als die Erziehungspartnerschaft. Das<br />
gilt auch für die „kollektive Partnerschaft“ (gegenüber der individuellen<br />
Partnerschaft) im Hinblick auf ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein<br />
für das Schulleben (vgl. ebd., S. 82).<br />
Die Ergebnisse bestätigen damit vor allem die Bedeutung der Erziehungspartnerschaft<br />
in der Sek<strong>und</strong>arstufe. Zu einem Austausch kommt es bei allen<br />
Typen der Beteiligung aus Elternsicht jedoch häufig erst dann, wenn ein<br />
Problem vorliegt. Anhand der Zusammenarbeit zur Bearbeitung dieses<br />
Problems wird deutlich, dass dafür keine gemeinsamen Standards gelten, an<br />
denen sich die Eltern orientieren. Das führt zu einer Typenvielfalt, die eher<br />
durch die unterschiedliche Bereitschaft der Partner zur Verständigung <strong>und</strong><br />
Übernahme von Verantwortung bedingt ist als durch bestimmte kontextuelle<br />
<strong>und</strong> strukturelle Faktoren, z.B. im Hinblick auf die konzeptionelle Unterscheidung<br />
<strong>zwischen</strong> offener <strong>und</strong> geb<strong>und</strong>ener <strong>Ganztagsschule</strong> (vgl. dazu<br />
auch Börner 2010, S. 16). Im Gegensatz dazu wird aus Ganztagsschulsicht<br />
bzw. aus Sicht des Ganztagsschulpersonals deutlich, dass eine wechselseitige<br />
Verständigung <strong>und</strong> Übernahme von Verantwortung gerade angesichts<br />
der gesellschaftlichen Entwicklung zum einen sowie angesichts einer Ganztagsschulbildung<br />
in Richtung ganztägiger Betreuung <strong>und</strong> ganzheitlicher Bildung<br />
zum anderen zunehmend notwendig wird. Eine gelingende Erziehungspartnerschaft,<br />
nach der die Schule nicht „<strong>Familie</strong>nersatz“ wird, sondern<br />
die Schule Eltern in ihren Kompetenzen stärkt, bedarf daher nicht nur<br />
eines gemeinsamen Kontakts, bevor ein Problemfall eintritt, sondern auch<br />
eines persönlichen Kontakts. Darüber eröffnen sich den Eltern Einblicke in<br />
die Schulsituation ihres Kindes (Bildungs- <strong>und</strong> Sozialverhalten) sowie dem<br />
Schulpersonal Einblicke in dessen <strong>Familie</strong>nsituation. Auf dieser Basis wird<br />
sowohl ein gegenseitiges Vertrauen hergestellt, das eine höhere Identifikation<br />
mit <strong>und</strong> Verbindlichkeit in der Umsetzung gemeinsamer Entscheidungen<br />
ermöglicht, als auch ein individueller Unterstützungsbedarf erkannt.<br />
Dieser umfasst aus Ganztagsschulsicht eine Palette von Kompensationsleistungen,<br />
nach denen sich die <strong>Ganztagsschule</strong> als Ausgleich zu einer instabilen<br />
<strong>Familie</strong>nsituation, als Ergänzung bei fehlenden Erziehungsressourcen<br />
oder als Übernahme von schulbezogenen Betreuungspflichten der Eltern<br />
definiert. Ziel der Zusammenarbeit im Rahmen der Erziehungspartnerschaft<br />
ist es dann, nicht den Erwerb höherer Bildungsabschlüsse zu gewährleisten<br />
(gemäß dem gesellschaftlichen Erwartungsdruck, den Eltern an die<br />
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