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Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

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auch dafür genutzt, miteinander in Austausch zu treten. Offen bleibt, ob<br />

die jüngeren Jungen in dem Moment mit einer selbständigen Übungssituation<br />

überfordert waren <strong>und</strong> auf den Betreuer gewartet haben oder bewusst<br />

die „unkontrollierte“ Situation ausnutzen, um sich einer durch Ort <strong>und</strong><br />

Zeit vorgegebenen Freizeitpraxis zu entziehen. Gleichwohl zeigt die Situation<br />

– insbesondere die freiwillige Teilnahme der Zehntklässler, dass die<br />

Freizeitangebote auch ohne die obligatorische Bindung an einen St<strong>und</strong>enplan<br />

im Sinne des Ganztagskonzeptes genutzt werden.<br />

Betreuer zu den jüngeren Jungen:<br />

„Stopp, Eure Aufgabe ist es, den roten <strong>und</strong> gelben Boulder als Kletterkombination<br />

zu üben.“<br />

Dabei gibt er dem einen Jungen einen Zeigestock, damit dieser dem<br />

Kletternden die Boulder anzeigen kann. Die Jungen werden der<br />

Übung bald überdrüssig <strong>und</strong> fangen an sich zu necken.<br />

Betreuer:<br />

„Ihr habt gerade keine gute Arbeitsweise.“ …ermahnt er die Jungen.<br />

Indem der Betreuer beim Eintreten gerade jene Teilnehmer anspricht, die<br />

keine Aktivität an der Kletterwand zeigen, unterbricht er die Kommunikation<br />

der Jungen <strong>und</strong> versucht sie durch Übertragung einer „Aufgabe“ zum<br />

sportlichen Handeln zu motivieren. Dabei begibt sich der AG-Leiter nicht<br />

nur in die Rolle eines Trainers, sondern signalisiert auch, welchem Handeln<br />

er in der AG-Situation den Vorrang gibt („üben“). Damit wird die Freizeit<br />

aus der Perspektive des Betreuers zu einer Lernsituation, die strukturell<br />

identische Bestandteile des Unterrichts besitzt („Aufgabe“, „üben“). Indem<br />

er jedoch die Aufgabe verbal („Eure Aufgabe“) <strong>und</strong> non-verbal als gemeinsame<br />

rahmt, gelingt es ihm, die bereits vorgef<strong>und</strong>ene Interaktionsbeziehung<br />

<strong>zwischen</strong> den Jungen nicht zu unterbinden, sondern diese produktiv für die<br />

AG-Aktivität zu nutzen. Sobald jedoch die Motivation für die Übung nachlässt,<br />

nutzt der Betreuer Disziplinierungsmaßnahmen, die im Blick auf die<br />

Begriffswahl („Arbeitsweise“) erneut Rückschlüsse auf ein am Unterricht<br />

orientiertes Handeln zulassen. Auch wenn Bildung <strong>und</strong> Erziehung in dieser<br />

Situation in einem Zusammenhang stehen, geht der Erziehungsgedanke<br />

nicht über die Disziplinierung hinaus <strong>und</strong> läuft damit Gefahr, die Freude<br />

am Sport bzw. am Miteinander zu nehmen.<br />

Im Kontext der Gruppe stellt sich das Handeln des Leiters jedoch als<br />

Strategie dar, die einzelnen Bedürfnisse zu koordinieren, wenn auch dadurch<br />

die geschlechterhomogene Gruppenbildung erhalten bleibt: Während<br />

er den älteren Jungen Handlungsautonomie einräumt, wird das Handeln<br />

der jüngeren Jungen lediglich durch die Setzung von Anweisungen gerahmt,<br />

innerhalb dessen ihnen Handlungsspielräume zur Verfügung stehen.<br />

Diese Strategie ermöglicht ihm, sich bewusster auf die Betreuung einer<br />

Person zu konzentrieren, wie die folgende Sequenz dokumentiert:<br />

Dem Mädchen gibt der Leiter an der Wand eine weitere Kletterkombination<br />

zur Aufgabe. Als sie nach zweimaligem Versuch den<br />

letzten Boulder nicht erreicht, erklärt er ihr den Gr<strong>und</strong> dafür. Dieser<br />

bezieht sich auf den Unterschied <strong>zwischen</strong> statischen <strong>und</strong> dynamischen<br />

Kletterbewegungen <strong>und</strong> wie man letzteres durch Fußstellung<br />

<strong>und</strong> Schwung erreichen kann. Der Leiter zeigt dem Mädchen desweiteren<br />

den Sprung auf dem Boden vor <strong>und</strong> erklärt physikalisch,<br />

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