Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
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den Schwebepunkt beim Sprung. Daraufhin versucht sie den Sprung<br />
an der Wand nachzuahmen, wenn auch ohne Erfolg:<br />
Leiter: „Siehst Du, gut gemacht den Sprung.“<br />
Während des zweiten Versuchs ruft der Leiter „Ja!“ <strong>und</strong> „Das<br />
schaffst Du, Susi. Auf geht‟s, Susi!“, doch sie verfehlt wieder.<br />
Susi: „Kann nicht.“<br />
Leiter: „Pause, ok.“<br />
Den Übungsprozess des Mädchens begleitet der Leiter aktiv. Während der<br />
Übung tritt spontan ein Problem auf, das bewältigt werden muss, um die<br />
Übung zu vollenden. Dabei überlässt der Leiter die Lösung des Problems<br />
zunächst der Schülerin selbst. Erst nach zweimaligem erfolglosen Versuch,<br />
den Boulder auf eigene Weise zu erreichen, erklärt er ihr rational, später<br />
anschaulich durch Vorführung den Gr<strong>und</strong>. Dabei stellt er fachliche Bezüge<br />
zum Unterrichtswissen her, die ihr bei der Bewältigung der Aufgabe helfen<br />
sollen. Neben der technischen Hilfestellung versucht der Leiter auch motivierend<br />
auf die Schülerin einzuwirken, indem er anerkennend ihre Versuche<br />
lobt („gut gemacht“) <strong>und</strong> an ihre Fähigkeiten appelliert („Das schaffst<br />
Du“), auch wenn der Erfolg noch ausbleibt.<br />
An dieser Stelle lässt sich zunächst festhalten, dass im Rahmen einer<br />
zwar pädagogisch gestalteten Situation bzw. Übungssituation ein individuelles<br />
Handlungsproblem entsteht, das vom Leiter vorab jedoch nicht intendiert<br />
war. Vielmehr ist es die Schülerin, die erfahren muss, dass bislang<br />
bewährte Lösungsstrategien an einer Stelle der Übungsfolge nicht greifen.<br />
Damit ist der Gr<strong>und</strong>stein für einen informellen Lernprozess gelegt, den der<br />
Leiter pädagogisch unterstützt, indem er ihn in einen bewussten Reflexionsprozess<br />
überführt. Im Sinne eines ganzheitlichen Lernverständnisses<br />
spricht der Leiter zum einen mehrere Ebenen der Verarbeitung der Lernerfahrung<br />
an. Das betrifft die kognitive <strong>und</strong> die visuelle Ebene. Zum anderen<br />
gelingt es ihm, Unterrichtswissen (in diesem Fall aus dem Fach Physik) mit<br />
den aktuellen Handlungserfahrungen im schulischen Freizeitkontext zu<br />
verbinden bzw. formale Lernprozesse systematisch in die Erfahrungswelt<br />
der Schülerin zu integrieren. Die Motivation der Schülerin dient dabei der<br />
Unterstützung bei der Transformation des kognitiven Wissens in ein motorisches<br />
Können. So zielt informelles Lernen auf Bildung bzw. Kompetenzbildung<br />
ab. Inwiefern sich dieser Bildungsprozess im weiteren Verlauf verstetigt,<br />
zeigt die Anschlusssequenz:<br />
Der Leiter wendet sich nach der Pause wieder Susi zu, die sich erneut<br />
an der Wand versucht, um diese Kombination zu üben. Beide<br />
Versuche scheitern <strong>und</strong> sie fällt zu Boden. Daraufhin gibt ihr der<br />
Leiter Rückenhalt bzw. schiebt sie von unten an.<br />
Leiter: „Mit Schwung, Susi, <strong>und</strong> Aggression an den Boulder! Denk<br />
an Deinen Mathelehrer, der Dir eine 5 gegeben hat. Also noch mal!“<br />
Wiederholt unterstützt der Leiter den Lernprozess durch Hilfestellungen.<br />
Diese zielen diesmal jedoch auf die selbsterlebte Bewegungserfahrung ab,<br />
indem er die Körperbewegung <strong>und</strong> Motorik der Schülerin mit eigener Kraft<br />
unterstützt. Desweiteren signalisiert er ihr, dass für die Ausführung der<br />
Technik zudem das Schwungholen fehlt <strong>und</strong> eine innere Disposition. Letztere<br />
simuliert er, indem er die Schülerin an eine Situation erinnert, die dem<br />
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