Jahreswirtschaftsbericht 2011 (PDF) - BMWi
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40 I. Deutschland im Aufschwung – den Wohlstand von morgen sichern<br />
ten Buches Sozialgesetzbuch vorgelegt. Darin sollen<br />
die existenznotwendigen Aufwendungen künftig mit<br />
einem Verfahren ermittelt werden, das auf der Grund <br />
lage verlässlicher Zahlen transparent, sach- und realitätsgerecht<br />
sowie nachvollziehbar und schlüssig ausgestaltet<br />
ist. Dabei achtet sie gemäß den gerichtlichen<br />
Vorgaben vor allem auch auf eine bessere Bildungs teilhabe<br />
von hilfebedürftigen Kindern. Auch der Kin derzuschlag<br />
soll künftig die Bildungs- und Teilhabe be darfe<br />
von Kindern und Jugendlichen verstärkt ab decken.<br />
Der Sachverständigenrat bemängelt, dass das derzeitige<br />
Arbeitslosengeld II insbesondere für Hilfeempfänger<br />
mit zu versorgenden Kindern zu geringe<br />
Arbeitsanreize böte. Berechnungen des Rates zeigten,<br />
dass insbesondere von einer Senkung des Regelsatzes<br />
bedeutsame Effekte auf das Arbeitsangebot ausgehen<br />
könnten. Ähnliche Wirkungen könnten im bestehenden<br />
System ansatzweise erreicht werden, indem die<br />
Sanktionen bei Arbeitsverweigerung konsequent an <br />
gewandt werden, wobei dann allerdings ein Arbeitsplatzangebot<br />
auf dem zweiten Arbeitsmarkt vorzuhalten<br />
wäre (JG Tz 487). Laut Bundesverfassungs ge richt<br />
ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende ein existenzsicherndes<br />
Fürsorgesystem für erwerbsfähige hilfebedürftige<br />
Menschen und die mit ihnen zusammen<br />
lebenden Personen. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung,<br />
die existenznotwendigen Aufwendungen nach<br />
dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu erfassen.<br />
Neugestaltung der Erwerbstätigenfreibeträge<br />
113. Die Bundesregierung entwickelt die Erwerbs tä tigenfreibeträge<br />
weiter. Künftig wird den erwerbstätigen<br />
Beziehern von Arbeitslosengeld II ein größerer<br />
Teil ihres Verdienstes im Bereich zwischen 800 Euro<br />
und 1.000 Euro verbleiben. Die Ausweitung des Freibetrags<br />
erhöht den Anreiz, eine voll sozialversicherungspflichtige<br />
Tätigkeit aufzunehmen. Der Sachverständigenrat<br />
hält jedoch die Arbeitsangebotseffekte<br />
dieses Schrittes für gering (JG Tz 488).<br />
Um beurteilen zu können, ob und ggf. wie der<br />
An reiz zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit<br />
verbessert werden kann, soll der Arbeits markt<br />
weiter beobachtet und die jüngste Änderung dabei<br />
berücksichtigt werden. Im Jahr 2012 sollen dann ggf.<br />
die erforderlichen weiteren Maßnahmen ergriffen<br />
werden.<br />
Mindestlöhne branchenspezifisch evaluieren<br />
114. Die Bundesregierung bekennt sich zur Tarif auto <br />
nomie. Sie gehört unverzichtbar zum Ordnungs rahmen<br />
der Sozialen Marktwirtschaft. Die Bundes regierung<br />
lehnt deshalb einen einheitlichen gesetzlichen<br />
Mindestlohn ab. Die bestehenden Regelungen zum<br />
Mindestlohn werden bis Oktober <strong>2011</strong> evaluiert (vgl.<br />
Tabelle lfd. Nr. 48). Dabei kommt es darauf an, zu prüfen,<br />
ob sie Arbeitsplätze gefährden oder neuen Be <br />
schäftigungsverhältnissen entgegenstehen. Zugleich<br />
soll entsprechend der Zielsetzung des Arbeitnehmer-<br />
Entsendegesetzes untersucht werden, ob sie den er <br />
forderlichen Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten<br />
und ob sie die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen<br />
Branchen beeinträchtigen. Das Ergebnis dieser Evaluierung<br />
soll als Grundlage für die Entscheidung dienen,<br />
ob die geltenden Mindestlohnregelungen Be <br />
stand haben oder aufgehoben werden sollten.<br />
115. Das Bundesarbeitsgericht hat im Juli 2010 den<br />
Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben. Dies hat kontroverse<br />
Diskussionen über die daraus folgenden Kon <br />
sequenzen ausgelöst. Teils wird gesetzgeberischer<br />
Handlungsbedarf gesehen, teils wird dem Gesetz geber<br />
zur Zurückhaltung geraten. Der Sach ver stän digen<br />
rat empfiehlt, zunächst die weitere Entwicklung<br />
im Bereich von Tarifpluralitäten abzuwarten (JG Tz<br />
507). Die Bundesregierung prüft, wie unter Berücksichtigung<br />
der in den Diskussionsprozess eingebrachten<br />
Handlungsalternativen eine verfassungskonforme<br />
und tragfähige Lösung aussehen könnte und wird<br />
dann einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten.<br />
Beschäftigungschancen eröffnen,<br />
Bildungsmöglichkeiten verbessern<br />
116. Angesichts des demografischen Wandels gilt es<br />
insbesondere, die Arbeitsmarktchancen von Frauen<br />
und älteren Menschen weiter zu verbessern. Dafür<br />
müssen Familie und Beruf besser miteinander in Einklang<br />
gebracht und Beschäftigungshemmnisse abgebaut<br />
werden. Außerdem gilt es, Gering qualifi zierte<br />
und Menschen mit Migrationshintergrund besser in<br />
den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine wichtige Rolle<br />
spielt darüber hinaus die Stärkung von Bildung in<br />
allen Lebensphasen – von der frühkindlichen Bildung<br />
bis zur Weiterbildung im Beruf.