Landtag Brandenburg P-ABJS 5/47 Protokoll
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Pädagogik in den Einrichtungen der Haasenburg GmbH<br />
6.3 Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen im rechtlichen<br />
und Zwangsmittel im pädagogischen Kontext<br />
Im 4. Buch — Familienrecht — des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist in Abschnitt 2,<br />
Titel 5 §§ 1626 f. die elterliche Sorge als Pflicht und Recht der Eltern gegenüber ihren<br />
minderjährigen Kindern geregelt, die zum Wohle der Kinder auszuüben ist und Pflege,<br />
Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst. § 1631 Abs. 2<br />
BGB normiert das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung und erklärt körperliche<br />
Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen für unzulässig.<br />
Der schon mehrfach zitierte § 1631 b BGB schränkt das elterliche Sorgerecht<br />
bei mit Freiheitsentziehung verbundener Unterbringung des Kindes ein, denn sie bedarf<br />
der Genehmigung des Familiengerichts; die Unterbringung ist (nur) zulässig, wenn<br />
sie für das Wohl des Kindes insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbstoder<br />
Fremdgefährdung erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch<br />
nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.<br />
Art. 6 Grundgesetz (GG) erkennt in seinem Abs. 2 die Pflege und Erziehung der Kinder<br />
als natürliches Recht der Eltern und als ihnen zuvörderst obliegende Pflicht an. Über<br />
ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG).<br />
Ausweislich der Begründung für die Schaffung des § 1631b BGB (BT — Dr 16/6815, S.<br />
8) war es der Impetus des Gesetzgebers zu vermeiden, dass Eltern ein Kind in eine<br />
geschlossene Einrichtung verbringen, wenn bei sinnvoller Wahrnehmung des Erziehungsrechts<br />
eine Problemlösung auf weniger schwerwiegende Weise erreicht werden<br />
kann. Im Vordergrund steht dabei nicht der Schutz der körperlichen Bewegungsfreiheit<br />
und Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit, sondern<br />
die Gewährleistung einer sinnvollen Ausübung des Sorgerechts. Die Norm will in<br />
Verbindung mit besonderen Verfahrensvorschriften sicherstellen, dass niemand —<br />
auch und gerade ein Minderjähriger nicht — „unbemerkt in einer geschlossenen Anstalt<br />
verschwinden kann" (Staudinger/ Salgo, BGB, Neubearbeitung 2007, § 1631 b Rdn. 4).<br />
Antiaggressions-Maßnahmen, Fixierungen, Begrenzungen, wie sie in den Einrichtungen<br />
der Haasenburg GmbH an nach § 1631b BGB untergebrachten Kindern und Jugendlichen<br />
vorgenommen werden, sind nicht 'per se unzulässig. Wie die Unterbringung<br />
selbst müssen diese Maßnahmen erforderlich sein zur Abwendung einer erheblichen<br />
Selbst- oder Fremdgefährdung. Hinzukommen muss, dass der Gefahr nicht auf<br />
andere Weise begegnet werden kann. Das Recht Minderjähriger auf gewaltfreie Erziehung<br />
und die Unzulässigkeit körperlicher Bestrafungen, seelischer Verletzungen und<br />
anderer entwürdigender Maßnahmen implizieren als Verwirklichung der unveräußerlichen<br />
Grundrechte und der Unantastbarkeit der Menschenwürde, dass körperliche<br />
Zwangsmaßnahmen im Rahmen der Unterbringung nur letztes Mittel sein darf in Fällen<br />
der Selbst-, ebenso aber auch in Fällen von Fremdgefährdung, die vom Minderjährigen<br />
ausgehen. Jenseits notwendiger Gefahrenabwehr sind Gewalt und körperliche<br />
Zwangsmaßnahmen nach unserer Rechtsordnung verboten. Das gilt für die elterliche<br />
Erziehung (oder die Erziehung durch andere Personensorgeberechtigte) ebenso wie<br />
für die Erziehung in einer Einrichtung wie der Haasenburg GmbH.<br />
Akut notwendig werdende körperliche Einwirkung zur Gefahrenabwehr kann naturgemäß<br />
einem Genehmigungsvorbehalt durch das Familiengericht nicht unterliegen. In<br />
Zusammenhang mit der Frage, wie es sich mit dem Genehmigungsvorbehalt für andauernde<br />
Maßnahmen verhält, ist auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH)<br />
vom 7. August 2013 — XII ZB 559/11 — hinzuweisen. Dort ist ein Genehmigungserfordernis<br />
bei nächtlicher Fixierung eines Kindes in einer offenen Einrichtung jedenfalls<br />
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