Landtag Brandenburg P-ABJS 5/47 Protokoll
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Beantwortung der Fragen aus dem Auftrag für die Untersuchungs-kommission und Empfehlungen<br />
in streng reglementierten, Verhaltensanpassung befördernden Institutionen wie der<br />
Haasenburg GmbH Unverständnis und ebenfalls aggressive Gefühle hervor, die, werden<br />
sie nicht reflektiert, auch zu Misshandlungen bzw. Strafaktionen gegen die eigentlich<br />
Schutzbedürftigen führen können.<br />
Die Hilfsbedürftigkeit, die die Betreuer/-innen bei den Kindern und Jugendlichen annehmen,<br />
weil sie die Biografien kennen, kann nicht in pädagogische Handlung und<br />
kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung umgesetzt werden, weil die Betroffenen<br />
es nicht zulassen können. Sie fühlen sich von einem Hilfsangebot der Betreuer/-innen<br />
- angenommen, diese verstehen es zumindest zu Beginn der Tätigkeit in der Haasenburg<br />
GmbH als solches, wie es in den Konzepten beschrieben ist - oft verunsichert.<br />
Sie haben bisher keine Erfahrung der Verlässlichkeit in Beziehungen gemacht, warum<br />
sollten sie also jetzt Vertrauen schöpfen? Sie fühlen sich eher erneut gedemütigt, wollen<br />
nicht schwach und hilfsbedürftig erscheinen, sondern stark und autonom sein und<br />
ohne die Erwachsenenwelt zurechtkommen. Es erfolgt eine aggressive Reaktion, die<br />
wiederum zu Enttäuschung, Zurückweisung und aggressiver Gegenwehr auf Seiten<br />
der Betreuer/-innen führen kann. Diese „Jetzt erst recht"-Mentalität, die geforderte „unbedingte<br />
Konsequenz" und die scheinbar benötigte Kontrolle über die Kinder und Jugendlichen<br />
resultiert dann nicht mehr aus dem vielleicht ursprünglich vorhandenen<br />
Schutzgefühl gegenüber diesen Kindern und Jugendlichen, sondern ist unterdrückte<br />
Wut gegenüber der Zurückweisung und eigenen Hilflosigkeit. So könnten manche Teufelskreise<br />
innerhalb der Haasenburg GmbH entstanden sein.<br />
12.3 Werden die Konzeption bzw. die Leistungsbeschreibungen im<br />
pädagogischen Alltag adäquat umgesetzt? Wie wird die Umsetzung des<br />
verhaltenstherapeutischen Selbstverständnisses im Alltag u. a. in den<br />
drei sogenannten Entwicklungsstufen Rot, Gelb und Grün bewertet?<br />
Es liegen der Kommission ernstzunehmende und vertrauenswürdige Befunde vor,<br />
dass in der Haasenburg GmbH vor allem ab 2005 bzw. verstärkt ab 2007 das System<br />
von Regeln und Zwangsmitteln fortgeschrieben wurde. Mechanische Fixierungen und<br />
andere Formen von Begrenzung als Kern der Antiaggressions-Maßnahmen betrafen<br />
womöglich in der Anwendung nur ein Fünftel oder ein Viertel aller untergebrachten<br />
jungen Menschen, insbesondere sogenannte „Beschluss-Jugendliche". Dennoch prägen<br />
solche „Möglichkeiten in Reserve" insgesamt das Klima einer Einrichtung. Wer<br />
Regeltreue zeigt und sich dem Reglement unterordnet, kann die rote Phase mit den<br />
vielfältigen Einschränkungen ggf. nach drei, sechs, neun Monaten verlassen. Wer in<br />
der roten Phase „hängenbleibt", muss sein Leben in der Einrichtung von Anfang bis<br />
Ende der Unterbringungszeit unter stark einschränkenden Bedingungen auf niedriger<br />
Lebensqualitätsstufe verbringen, womöglich deshalb, weil diagnostisch nicht hinreichend<br />
verstanden wurde, was gebraucht wird und helfen könnte .<br />
Selbst- und Fremdgefährdung sind unbestimmte, auslegbare Begriffe. Nicht selten<br />
könnten Pädagog/-innen eben jene Aggression auch mitbefördert bzw. verstärkt haben<br />
(bewusst oder unbewusst), die sie dann „deeskalierend" eindämmen. Verstrickungen<br />
mit apodiktischer Polarisierung („Ja oder nein"; „Jetzt oder nie"; „Das oder gar<br />
nicht"; „Du oder ich") führen in eine Eskalationsdynamik mit der Tendenz zur Verselbstständigung.<br />
Auch wenn Bestrafung nicht zum offiziellen Konzept gehört, lässt sich<br />
unter dem Mantel der „Gefahr im Verzug" die Drohkulisse des „Wir können auch anders"<br />
in der roten Phase bzw. im Falle von AAM latent oder manifest effektiv inszenie-<br />
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