Download-PDF (8,1 MB, in German) - Werner Otto
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Der Jahrhundert-Mann<br />
K<strong>in</strong>dheit und Jugend<br />
me<strong>in</strong>en Willen durchsetzen wollte“, so <strong>Werner</strong> <strong>Otto</strong>, zu guter Letzt habe<br />
man sich dann aber doch noch gütlich gee<strong>in</strong>igt.<br />
Der Beg<strong>in</strong>n des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 ist für die meisten<br />
Menschen e<strong>in</strong> unerwarteter Schock, der sie aus e<strong>in</strong>er sche<strong>in</strong>bar heilen<br />
Welt reißt. Doch das Deutsche Reich ist politisch schon lange isoliert.<br />
Obwohl das Verhältnis zu England und Russland über Jahrzehnte im Wesentlichen<br />
ungetrübt gewesen war, ist es den Deutschen nicht gelungen,<br />
sich dauerhaft e<strong>in</strong>en starken Bündnispartner zu sichern. Statt e<strong>in</strong>e Annäherung<br />
an se<strong>in</strong>e Nachbarn zu betreiben, haben die aggressive Expansionspolitik<br />
und das unbedachte „Säbelrasseln“ des Kaisers dazu beigetragen,<br />
die außenpolitische Lage seit Jahren weiter zu verschlechtern. Der Albtraum<br />
von der „E<strong>in</strong>kreisung“ wird schließlich Realität, als sich „Bär“ und<br />
„Walfi sch“ e<strong>in</strong>ander annähern und mit Frankreich e<strong>in</strong> Bündnis schmieden.<br />
Im Kampf um Kolonien und Ressourcen s<strong>in</strong>d sich die europäischen<br />
Mächte im Laufe der Zeit immer stärker <strong>in</strong>s Gehege gekommen. Aus dem<br />
Gestrüpp der gegenseitigen Verdächtigungen und Schuldzuweisungen<br />
sche<strong>in</strong>t es ke<strong>in</strong> Entr<strong>in</strong>nen zu geben. Nicht wenige empfi nden den Kriegsbeg<strong>in</strong>n<br />
schließlich als e<strong>in</strong>en Befreiungsschlag, zumal der „Waff engang“<br />
e<strong>in</strong>e Sache von wenigen Monaten zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. Die bösen Ahnungen<br />
der Skeptiker haben sich erfüllt, angesichts des wild ausufernden Hurrapatriotismus<br />
hatten sie sich zuletzt kaum noch Gehör verschaff en können.<br />
Etliche stürzen sich mit Verve <strong>in</strong> diesen Krieg, der – beileibe nicht nur <strong>in</strong><br />
Deutschland – als „re<strong>in</strong>igendes Gewitter“ gesehen wird. Dichter und Journalisten,<br />
die sich noch vor kurzem über Obrigkeitshörigkeit und das gesamte<br />
autoritäre Staatsgefüge lustig gemacht hatten, rufen ihre Leser nun<br />
zum Kampf auf, viele von ihnen melden sich freiwillig. Wer nicht sofort<br />
dabei se<strong>in</strong> will, gilt als unpatriotisch, ist „ke<strong>in</strong> echter Deutscher“.<br />
Noch im Frühjahr 1914, wenige Monate vor Kriegsbeg<strong>in</strong>n, hatte <strong>Werner</strong><br />
<strong>Otto</strong> erlebt, wie Dragoner <strong>in</strong> prachtvollen Uniformen mit schmissiger<br />
Musik durch die Stadt ritten – nun ist das Bild e<strong>in</strong> anderes. Aus den oftmals<br />
romantisch verklärten Manövern und Paraden ist blutiger Ernst geworden.<br />
„Der Tod setzte den Helm auf“, schrieb Erich Kästner, „der<br />
Krieg griff zur Fackel. Die apokalyptischen Reiter holten ihre Pferde aus<br />
dem Stall. Und das Schicksal trat mit dem Stiefel <strong>in</strong> den Ameisenhaufen<br />
Europa.“