Jahrbuch 2012 - Förderverein des Canisianum - Gymnasium ...
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Menschen und Momente<br />
Barbara Imholz zur Verabschiedung von Michael Tillmann:<br />
ein „homo politicus“ und<br />
engagierter Streiter<br />
Ist es eigentlich möglich, einem Menschen<br />
gerecht zu werden, der nach einem<br />
Wirken von 20 oder 30 Jahren – noch<br />
dazu an einem Ort – in den Ruhestand<br />
geht? Wie kann man all dies so verdichten,<br />
dass ein glaubwürdiger Dank dabei<br />
herauskommt und eine Würdigung<br />
dieser schulisch geprägten Lebenszeit?<br />
Da mir dies fast aussichtslos erscheint,<br />
möchte ich dem Kollegen Michael<br />
Tillmann auf meine ganz persönliche<br />
Art meine Wertschätzung ausdrücken,<br />
in der Hoffnung, dass diese sozusagen<br />
über mich hinausweist und etwas erfasst,<br />
was das Allgemeine seines Wirkens im<br />
Kollegium und an der Schule insgesamt<br />
bedeutet hat.<br />
Ich lernte ihn 1996 während <strong>des</strong><br />
Agenda-Prozesses der Stadt Münster<br />
kennen. Damals gab es, ausgehend von<br />
Der stellvertretende Schulleiter Ulrich<br />
Schweer (l.) und Michael Tillman bei der<br />
Verabschiedung.<br />
den Beschlüssen der Umweltkonferenz<br />
in Rio de Janeiro im Jahre 1992, auch<br />
den Auftrag an die Kommunen, in der<br />
ganzen Welt lokale Agenden aufzustellen,<br />
um vor Ort in einem demokratischen<br />
Meinungsbildungsprozess die<br />
Probleme <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts konkret<br />
in Angriff zu nehmen. In Münster<br />
hatte der Rat der Stadt diesen Auftrag<br />
angenommen und u.a. mich dafür<br />
als Vertreterin <strong>des</strong> Eine Welt-Forums<br />
angestellt. Vorangegangen war 1995 die<br />
Gründung eines Beirates für kommunale<br />
Entwicklungszusammenarbeit, in dem<br />
die Nord-Süd-Gruppen, aber auch das<br />
Umweltforum, das Michael Tillmann<br />
repräsentierte, ihre Anliegen in die Kommunalpolitik<br />
einbringen wollten. Dieser<br />
Beirat war der Kommunalverwaltung in<br />
hartnäckigen Verhandlungen abgetrotzt<br />
worden, was nicht zuletzt maßgeblich<br />
auf das Engagement unseres heutigen<br />
Kollegen Tillmann zurückzuführen war,<br />
und so begegnete mir damals ein nicht<br />
unerheblicher Teil seiner Persönlichkeit,<br />
den ich mit der Überschrift „homo politicus“<br />
versehen möchte.<br />
In der damaligen Situation war<br />
Michael Tillmann mein persönlicher<br />
Gegner, denn bis heute liebt eine kommunale<br />
Verwaltung nicht unbedingt<br />
den mündigen Bürger, der kompetent<br />
mitreden will. Aber so war es vor knapp<br />
zwanzig Jahren: Er war der unbequeme<br />
Bürger, der sich nicht abspeisen lassen<br />
wollte, der nicht locker ließ und der<br />
sein politisches Anliegen in verlässliche<br />
Strukturen umgesetzt wissen wollte.<br />
Als ich dem Kollegen Tillmann dann<br />
im Jahre 2003 unerwartet und zufällig<br />
hier an der Schule wiederbegegnete,<br />
konnte ich feststellen, dass diese Art, sich<br />
als politisches Wesen zu begreifen, auch<br />
hier seinen Niederschlag fand. Für ihn<br />
war das Engagement in der Politik die<br />
andere Seite der Medaille seines Wirkens<br />
in der Schule. Unsere Schülerinnen und<br />
Schüler zu aufrechten, mündigen Menschen<br />
und Staatsbürgern zu erziehen,<br />
das war ihm selbstverständlich, nicht<br />
bloß als irgendein Thema im Unterricht,<br />
sondern wesensgemäß. Ganzheitlich gesehen<br />
ist für ihn der Lehrer automatisch<br />
ein „homo politicus“, bei dem man nicht<br />
zwischen Privatem und Beruflichem<br />
trennen kann.<br />
Seine vielfältigen Aktivitäten in<br />
dieser Richtung sind bekannt: So wurden<br />
u.a. Politiker zu Diskussionsrunden an<br />
die Schule eingeladen. Sie sollten sich zu<br />
aktuellen und umstrittenen Themen der<br />
Umwelt-, aber auch Sozialpolitik äußern<br />
oder in Zeiten der Wahlkampfvorbereitung<br />
Flagge zeigen und den Schülerinnen<br />
und Schülern Auseinandersetzungsmöglichkeiten<br />
bieten. Dabei fanden<br />
durchaus prominente Referenten ihren<br />
Weg ins Cani. Ich würde mir wünschen,<br />
dass wir diese Tradition nicht nur in guter<br />
Erinnerung behalten, sondern auch<br />
fortsetzen.<br />
Nicht zuletzt zeigte sich der „homo<br />
politicus“ auch darin, dass Michael<br />
Tillmann elf Jahre lang im Lehrerrat tätig<br />
war. Hier offenbarte sich der unbequeme<br />
Bürger wieder, der hartnäckig den<br />
Problemen auf der Spur blieb, immer im<br />
Wissen darum, dass mündlich Vereinbartes<br />
schnell auch wieder in der Versenkung<br />
verschwinden kann, wenn es<br />
nicht in verlässliche Strukturen übergeht.<br />
Es sei nicht verschwiegen, dass Michael<br />
Tillmann hier auch mit Momenten<br />
<strong>des</strong> Scheiterns und der Enttäuschung<br />
konfrontiert wurde, dass er zum Beispiel<br />
sein Anliegen, transparente Kriterien<br />
für Beförderungsverfahren zu schaffen,<br />
nicht durchsetzen konnte.<br />
Dennoch wünschen wir ihm von<br />
Herzen, dass er in Frieden gehen kann,<br />
viele neue Herausforderungen findet<br />
und annehmen kann und uns gerne am<br />
Cani bei Gelegenheit besuchen möchte.<br />
Wir würden uns sehr darüber freuen<br />
und wünschen ihm alles Gute für die<br />
Zukunft.<br />
Menschen und Momente<br />
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