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St. Michael - Weißenkirchen in der Wachau

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Häuserchronik von Weissenkirchen, Joch<strong>in</strong>g, Wösendorf und <strong>St</strong>. <strong>Michael</strong>; Raimund Korner, 2007 150<br />

Gesellschaftsleben<br />

Im Herbst verließen die wenigen Sommerfrischler und Maler den Ort, <strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Dornröschenschlaf nach <strong>der</strong> We<strong>in</strong>lese fiel; Lag viel Schnee, fuhr <strong>der</strong> Postwagen, oft mit drei<br />

Pferden bespannt, nur bis Spitz, <strong>der</strong> Weg <strong>in</strong>s Waldviertel war im W<strong>in</strong>ter oft unpassierbar; ke<strong>in</strong><br />

Schneepflug wurde e<strong>in</strong>gesetzt; die Hauer holten mit Handschlitten Baumstämme aus den Wäl<strong>der</strong>n<br />

und machten daraus We<strong>in</strong>stecken; am Samstag „Bürgerabend“ abwechselnd <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gasthaus<br />

(Pöltner Nr. 20, Mang Nr. 144, <strong>St</strong>öller, dann Salomon Nr. 31 und Reis<strong>in</strong>ger, dann Mang Nr. 47);<br />

Kartenspiel an jedem Tisch, die Männer mit Hüten auf und Pfeifen tranken We<strong>in</strong>;<br />

Zwei Bälle wurden veranstaltet: <strong>der</strong> Feuerwehrball und <strong>der</strong> „Schöffleutball“, zu dem man nicht <strong>in</strong><br />

„Gala“ kam, son<strong>der</strong>n mit dem Barchentjanker, <strong>in</strong> kurzen Hosen und mit <strong>St</strong>iefeln und bei dem es laut<br />

zug<strong>in</strong>g. Bei dem Ball wurden e<strong>in</strong>ige Gulden, die vorher durch Eishacken, <strong>St</strong>eckenmachen o<strong>der</strong><br />

Schotterschlagen verdient worden waren, ausgegeben.<br />

Manchmal zogen auch im W<strong>in</strong>ter Theaterleute durch die <strong>Wachau</strong>, die dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gasthaussaal<br />

Vorstellungen gaben.<br />

Auch <strong>der</strong> Lehrer Johann Joachim sammelte e<strong>in</strong>e Anzahl Mädchen und Burschen um sich und führte<br />

verschiedene, meist lustige Theaterstücke auf. Ich selbst durfte als „Sohn“ <strong>in</strong> „Der Küchendragoner“<br />

und e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>St</strong>ück als Schusterbub mitwirken. Der Re<strong>in</strong>ertrag wurde zu wohltätigen<br />

Zwecken verwendet.<br />

Der Kirtag wurde jedes Jahr am 29. Juni (Peter und Paul) abgehalten. Buden für den Verkauf von<br />

Leckerbissen (Süßigkeiten, Lebkuchen) und Spielzeug wurden am Vortag aufgestellt, es kamen aber<br />

auch Händler und Handwerker (Schuhmacher, Tuchhändler, Schnei<strong>der</strong>, Spengler, Hafner,...), sodass<br />

<strong>der</strong> Kirtag zugleich auch Markttag war. Lebzelter verkauften Honigwe<strong>in</strong>, Bäcker priesen<br />

Butterkipferl an, Fleischhauer ihre heißen Würstel, die Schwe<strong>in</strong>händler hatten im Hof des<br />

Gasthauses e<strong>in</strong>en abgezäunten Platz, ...<br />

Feierliche Feste<br />

Am Vorabend des Fronleichnamsfestes marschierten die Veteranen – später die Feuerwache – zum<br />

Pfarrhof; e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Kirchenväter holte aus dem Keller e<strong>in</strong>ige Krüge We<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Herr Pfarrer erschien<br />

und sprach mit dem Hauptmann über die Wirtschaftslage, über den Zustand <strong>der</strong> We<strong>in</strong>gärten etc.<br />

Sodann erfolgte e<strong>in</strong> Übungsmarsch auf <strong>der</strong> Landstraße gegen Joch<strong>in</strong>g.<br />

Am Festtag nahmen auch die Ortskapelle und <strong>der</strong> Kirchenchor teil, <strong>der</strong> Umzug wurde von<br />

Böllerschüssen begleitet. Am Nachmittag marschierte die Feuerwehr nach Joch<strong>in</strong>g, wo die Männer<br />

im Hause des We<strong>in</strong>hauers <strong>St</strong>ragatta e<strong>in</strong>e Jause bekamen.<br />

Das schönste weltliche Fest war das <strong>der</strong> Sonnenwende, „Sunnawendn“ genannt. Es wurde nicht wie<br />

heute künstlich aufgezogen, son<strong>der</strong>n nach altem Brauch abgehalten. Die Buben jedes Viertels<br />

g<strong>in</strong>gen von Haus zu Haus und sammelten alte Besen. Sie führten diese mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Wagen<br />

zum „Achleitenkreuz“; das letzte steile <strong>St</strong>ück des Weges wurden die Besen und auch Holzscheiter<br />

mit großer Mühe bis zur hohen Wand h<strong>in</strong>aufgetragen, wo sie dann abgebrannt wurden. Die Buben<br />

im Bach- und Schlottviertel machten dasselbe für ihr Feuer. Es gab also e<strong>in</strong> Feuer auf <strong>der</strong><br />

„Aleitnwand“, e<strong>in</strong>es auf <strong>der</strong> „Bach<strong>in</strong>gerwand“ und e<strong>in</strong>es am „Seiberberg“. Bei E<strong>in</strong>bruch <strong>der</strong><br />

Dunkelheit g<strong>in</strong>g die Bevölkerung zur Donau, um die Feuer zu bewun<strong>der</strong>n. Die Burschen schwangen<br />

die brennenden Besen im Kreise, sodass je<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Feuerr<strong>in</strong>g stand; danach wurde die Besen<br />

dann den Felsen h<strong>in</strong>untergeworfen. Nach dem Abbrennen <strong>der</strong> Feuer g<strong>in</strong>gen wir „Sunnawendbuam“<br />

dann mit brennenden Fackeln die Wege herunter <strong>in</strong> den Ort.<br />

Die letzte Sonnwendfeier, an <strong>der</strong> ich teilnehmen konnte, war die von 1890, denn im September<br />

musste ich Abschied von me<strong>in</strong>em Vaterhaus nehmen und me<strong>in</strong>en Lebensweg als „<strong>St</strong>udent“<br />

beg<strong>in</strong>nen.<br />

Skizze <strong>der</strong> beim Brand von 1793 zerstörten Häuser:

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