Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum
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sich mit den künstlerischen Auslösern, die diese bestimmte<br />
Situation bedingen, in diesem bestimmten Raum und<br />
Moment diese Handlung und das ist einzigartig.<br />
Der Chor ist eine gute Möglichkeit, das Spiel auf der<br />
Bühne voranzutreiben und die Herausforderungen für<br />
die Spieler zu gestalten. Der Chor erfordert eine extreme<br />
Spannung in der Gruppe. Die Harmonie und Synchronizität,<br />
die in der chorischen Arbeit nötig sind, erfordern viel<br />
von den Spielern, besonders wenn sie ohne Chorführer<br />
arbeiten. Dabei verwandeln sie sich jedes Mal in Seiltänzer<br />
ohne Netz. Diese Herausforderung und Spannung der<br />
chorischen Arbeit bringt eine besondere Freude in die Inszenierung.<br />
Der Text auf der Bühne ist ebenso Teil des Spiels. Es gibt<br />
immer einen konflikt zwischen Text und Theater, auch<br />
wenn der Regisseur mit einer großen Verantwortung für<br />
den Autor arbeitet. Der Text ist immer schon fertig. Er hat<br />
seine Zeit gehabt, seine Entwicklung genommen. Er gehört<br />
zur Vergangenheit. Aber zur Bühne gehört der Moment, der<br />
sich vor einem Publikum ereignet und sich immer wieder<br />
neu erfindet. also gibt es eine wichtige Spannung zwischen<br />
diesen beiden Ebenen im Theater. Was geschrieben werden<br />
kann, muss geschrieben werden. Was gesagt werden kann,<br />
muss gesagt werden, und was getan werden kann, muss getan<br />
werden. Die Bühne ist der Ort zu handeln. Hier wird<br />
getan.<br />
Ich gehöre zu den glücklichen Personen, die die Möglichkeit<br />
hatten, zu spielen, zu schreiben, Regie zu führen<br />
und das alles gleichzeitig. Das hat mir immer viel Freude<br />
bereitet. Aber die allergrößte Freude ist für mich die Zeit,<br />
in der ich das Spiel erfinde, das später auf der Bühne zu<br />
sehen sein wird.<br />
aUS Dem engLiSchen von SaBine Reich<br />
Sahika TEkand<br />
ist in Istanbul eine bekannte Schauspielerin und Theatermacherin<br />
und wurde 1959 in Izmir geboren. 1984 schloss sie ihre<br />
Ausbildung zur Schauspielerin im Fachbereich Schauspielkunst<br />
der Fakultät der Darstellenden Künste an der 9 Eylül Universität<br />
in Izmir ab, an der sie zwei Jahre später zur Dr. phil.<br />
promovierte. Im selben Jahr begann sie ihre Karriere als Theater-<br />
und Filmschauspielerin und stand u.a. in Bertolt Brechts<br />
„Das Leben des Galilei“ auf der Bühne. Daneben trat sie mit<br />
selbst erarbeiteten Performances in Kunstgalerien auf. 1988<br />
gründete sie „Studio“, eine Ausbildungsstätte für Schauspieler<br />
und Künstler, an der sie ihre eigene Methode lehrt, die auch in<br />
ihren Inszenierungen zur Anwendung kommt. Um sie zu realisieren,<br />
schuf sie 1990 die Theatergruppe „Studio Oyunculari“.<br />
Mit „Studio Oyunculari“ hat sie zunächst eine Reihe von<br />
Produktionen fremder Texte erarbeitet, z.B. 1992/93 Becketts<br />
„Glückliche Tage“. Ab 1996 inszenierte sie dann vor allem ihre<br />
eigenen Stücke: „Die Verwandlung zu Nashörnern” (nach Ionesco),<br />
2000 „(Spiel)er”, 2002-06 ihre „Ödipus-Trilogie” –<br />
„Wo ist Ödipus?”, „Ödipus im Exil” und „Eurydikes Schrei”<br />
– und 2008 „Furcht vor der Finsternis”.<br />
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Der<br />
aufhaltsame<br />
aufstieg Des<br />
arturo ui<br />
von Bertolt Brecht<br />
Premiere am 28. Mai <strong>2011</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />
aufhaltsam war er, der aufstieg des arturo Ui, und konnte<br />
dennoch nicht verhindert werden. Ein kleiner Gangster in<br />
schwierigen Zeiten, nicht mehr und nicht weniger ist er.<br />
Die Konjunkturkrise ist groß und die Wirtschaft verunsichert.<br />
Er nutzt die schlechten Zeiten, für sich. Korruption,<br />
Mord und Terror sind die Mittel, mit denen er die Stadt und<br />
die Händler in seine Hände bringt. Niemand stellt sich ihm<br />
entgegen, nichts kann ihm Einhalt gebieten. Warum? Weil<br />
sie ihm glauben? Weil er sie überzeugt? Ihnen aus der Seele<br />
spricht? Weil er die Show beherrscht, am besten von allen?<br />
An wen denken wir heute, wenn wir Brechts Parabelstück<br />
aus dem Jahr 1958 lesen? An Berlusconi-Superstar oder an<br />
Hitler, dessen Karriere Brecht modellhaft nachzeichnet?<br />
Es ist nicht Hitler, der gewinnt, es sind die anderen in der<br />
Stadt und in der Politik, die verlieren. Sie verlieren ihre<br />
Glaubwürdigkeit und ihre Identität, ihre Ideen und Visionen.<br />
Es war nicht seine Stärke, sondern ihre Schwäche, die<br />
Hitler nicht aufhalten konnte. Die türkische Regisseurin<br />
Sahika Tekand wird diese berühmte Arbeit Brechts inszenieren.<br />
In ihrem Theater in Istanbul hat sie eine Form für<br />
chorisches Theater entwickelt, die sie nun im Dialog mit<br />
Brecht weiterführen wird.<br />
Regie: Sahika Tekand<br />
Bühne: Esat Tekand<br />
Dramaturgie: Sabine Reich