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Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum

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verbirgt die Widersprüche des vorherrschenden Systems<br />

und reduziert die Spannungen auf kulturelle Fragen. Die<br />

Islamfeindlichkeit im Norden und die entsprechenden<br />

Strömungen im Süden stellen angesichts jahrhundertelanger<br />

fruchtbarer Beziehungen verkürzte Sichtweisen<br />

dar. Sie verleugnen die Verbindungen zwischen dem „Griechen“<br />

und dem „Araber“, zwischen dem „Juden“ und dem<br />

„Araber“, zwischen dem „Römer“ und dem „Araber“. Werturteile<br />

werden gebildet, die die Vielfalt negieren und imaginäre<br />

Gegensätze schaffen: Jesus und Mohammed, Orient<br />

und Okzident, Islam und Christentum, Barbaren und<br />

Zivilisierte, rationaler Westen und emotionale Araber.<br />

Der Okzident wurde sowohl jüdisch-islamisch-christlich<br />

als auch griechisch-arabisch geprägt. Der Monotheismus<br />

und der gemeinsame Raum des Mittelmeeres sind<br />

unsere gemeinsamen ursprünge. Man kann den Humanismus,<br />

das heißt die Frage „Was ist der Mensch?“, ohne<br />

den Dialog mit anderen Kulturen nicht verstehen. „Der<br />

Humanismus denkt nicht hoch genug über die ,humanitas’<br />

des Menschen“, so Martin Heidegger. Die Kultur des<br />

Humanismus ist nicht sichtbar. Es geht nicht darum, auf<br />

das Religiöse als eine Lösung zurückzugreifen, sondern<br />

drei punkte zu sehen:<br />

1. Der andere trägt dazu bei, zu verstehen, was „Menschsein“<br />

bedeutet,<br />

2. sich einem gemeinsamen Horizont zu öffnen hat wenig<br />

zu tun mit den Gefahren, denen geschlossene Systeme<br />

Freiheit und Menschenwürde aussetzen und<br />

3. ein Zusammenleben ist möglich.<br />

Wie es Averroès ausdrückt: „Die Wahrheit des Glaubens<br />

kann niemals im Widerspruch sein zur Wahrheit der Vernunft.“<br />

Es dominiert die Täuschung eines Clashs der Kulturen<br />

und sie nährt sich aus der Hegemonie des Nordens und<br />

den subjektiven Reaktionen des Südens. politiker, Intellektuelle<br />

und die Medien drängen dem Norden eine negative<br />

Debatte auf über den Islam, den propheten und die muslimischen<br />

Bürger in den Städten Europas und dem Süden<br />

drängen sie eine Debatte über den Okzident auf. Doch die<br />

zentrale Stellung des Mittelmeerraumes erfordert, dass<br />

man sich nicht nur auf technische projekte beschränkt.<br />

Ohne die politische und kulturelle Dimension ist die partnerschaft<br />

um wesentliche Teile verkürzt.<br />

Europa: hEimgEsucht Vom<br />

gEspEnst DEr rEligion<br />

Der Westen wurde im Grunde seit mehr als zweitausend<br />

Jahren von kulturellen umbrüchen geprägt. Es lohnt, sich<br />

die Säkularisierung, die als prozess von Europa monopolisiert<br />

wurde, zu hinterfragen. Religiösen Dogmatismus<br />

durch den Dogmatismus des Laizismus zu ersetzen, ist keine<br />

Lösung. Es setzen zwar nicht alle Europäer den Islam<br />

mit Fanatismus gleich, aber in weit verbreitetem unwissen<br />

betrachtet man den „Moslem“ als einen Gläubigen, der<br />

sich dem modernen Wertesystem verschließt. Moslems<br />

MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF<br />

Fragen zu stellen, ist legitim. Wir akzeptieren Kritik bezüglich<br />

problematischer Verhaltensweisen, aber keine Verallgemeinerungen.<br />

Das Licht der Aufklärung, das instrumentalisiert wurde,<br />

erleuchtete nicht alle Menschen. Wenn Fragen wie „Wie<br />

lernt man zu leben?“, „Was ist der Mensch?“, „Welchen<br />

Sinn dem Leben geben?“ gestellt werden, verweigert man<br />

uns das Recht, Formen der modernen Kultur zu kritisieren.<br />

Die Europäer fragen nach dem Zustand der muslimischen<br />

Welt: Es gibt Debatten über Reformen, pluralismus und<br />

gute politische Führung. Es ist nicht islamfeindlich, diese<br />

Fragen zu stellen. Aber im Gegensatz zu dem, was Nicht-<br />

Moslems denken könnten, existiert eine Islamfeindlichkeit,<br />

in der es der Moslem ist, der, wie vormals der Jude,<br />

verurteilt wird. Heimgesucht vom Gespenst der Religion<br />

wird Europa von zwei Bewegungen bestimmt: von dem Bemühen,<br />

Integration zu fördern und von einer verkrampften<br />

Haltung gegenüber den muslimischen Mitbürgern, die<br />

ihre Religion überwiegend friedlich ausüben.<br />

Das licht DEr aufklärung<br />

ErlEuchtEtE nicht allE mEnschEn<br />

Es stimmt nicht, dass der gesamte Westen „muslimisch“<br />

mit „fanatisch“ gleichsetzt, aber die propagandisten, um<br />

ihre Defizite und ihre Schande zu verbergen, lassen uns<br />

glauben, dass der Islam eine Quelle der Gewalt sei. Diese<br />

propagandisten „machen“ den Terror und die „Terroristen“<br />

und manipulieren sie, um Angst zu erzeugen und um die<br />

Besetzung und Vormachtstellung zu rechtfertigen. Chaos,<br />

ungerechtigkeit und eine politik wie in palästina, die mit<br />

zweierlei Maß misst, widersprechen den prinzipien, die der<br />

Norden selbst predigt. Im Kontext der brutalen präsenz<br />

fremder Soldaten auf islamischem Boden – 20 Mal zahlreicher<br />

als während der Kreuzzüge, wobei auf einen getöteten<br />

westlichen Soldaten oder einen getöteten Israeli 100 getötete<br />

Moslems kommen, die überwiegend Zivilisten sind –<br />

stellt sich eine Frage: Wie lange noch werden ungerechtigkeit<br />

und Aggression andauern, die im Süden Verzweiflung,<br />

Extremismus und eine Kultur der Wut hervorbringen und<br />

Angst im Norden erzeugen? Anstatt von Zusammenprall<br />

und Teilung zu sprechen, wäre es dringend an der Zeit, gemeinsam<br />

über die ursachen nachzudenken.<br />

Das unverständnis dominiert und die öffentliche Meinung<br />

erschöpft sich darin, nur noch die Gewalt des anderen<br />

zu sehen, obwohl sie nichts weiß über ihre Gründe.<br />

Natürlich nimmt die ganze Welt wahr, zu welchem Extremismus<br />

die fanatische Ausprägung bestimmter „Anhänger“<br />

einer großen Religion wie des Islam führen kann.<br />

Dabei handelt es sich aber um Archaismen. Der Missbrauch<br />

des Namens des Islam ist unentschuldbar und „der<br />

Moslem ist manchmal eine Manifestation gegen seine Religion“,<br />

wie es vor einem Jahrhundert Emir Abdelkader El<br />

Djazairi formulierte. Aber dies ist, wie es Hannah Arendt<br />

unterstrich, oft das Ergebnis von provokationen und ungerechtigkeit:<br />

„In totalitären Regimen wird die provokati-<br />

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