Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum
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kARSTEN RiEDEl & CHRiSTOPH FRiCk<br />
Karsten Riedel wurde 1970 in Wattenscheid geboren. Der<br />
Multiinstrumentalist Riedel, der in seiner Freizeit gerne Laminat<br />
verlegt und Schwarzbier mag, ist seit 1989 selbstständiger<br />
Musiker, Komponist und Produzent. Er war an Hörspielproduktionen<br />
für den WDR beteiligt, arbeitete für diverse Kinofilme<br />
und war und ist mit zahlreichen Bands im In- und<br />
Ausland unterwegs. Bekannt wurde er vor allem als Frontmann<br />
der legendären <strong>Bochum</strong>er Ska-Punk-Truppe „Alpha Boy<br />
School“. Der ehemalige Intendant des <strong>Schauspielhaus</strong>es Matthias<br />
Hartmann holte ihn als Musiker und Komponisten ans<br />
<strong>Bochum</strong>er Theater. Es war Riedels erster Kontakt als Musiker<br />
mit der Theaterbühne. Es entstanden Soundtracks für Produktionen<br />
wie „1979“, „Einordnen, Ausflug, Land der Toten“,<br />
„Der Hauptmann von Köpenick“ oder „Ivanow“.<br />
In Essen lernte Karsten Riedel dann David Bösch kennen,<br />
der gerade von der Regieschule in Zürich kam. Zwischen Riedel<br />
und dem jungen Regisseur entstand eine intensive Arbeitsbeziehung.<br />
Außer in Essen arbeiteten sie am Thalia Theater Hamburg,<br />
am Deutschen Theater Berlin, am <strong>Schauspielhaus</strong> Zürich<br />
und am Wiener Burgtheater zusammen. Riedel, der weiterhin<br />
in <strong>Bochum</strong> lebt, arbeitet heute hauptsächlich im Theater mit<br />
den Regisseuren Matthias Hartmann, Roland Spohr, Niklas<br />
Helbling und eben David Bösch. Daneben entwickelte er auch<br />
verschiedene musikalische Programme mit Mitgliedern des <strong>Bochum</strong>er<br />
Ensembles. In „Oft ist die Natur nicht einmal schön“<br />
trifft Karsten Riedel zum ersten Mal auf den in der Schweiz<br />
lebenden Regisseur Christoph Frick. Der wurde 1960 geboren<br />
und lebt seit vielen Jahren in Basel. Frick braucht keine Stücke,<br />
um Theater zu machen: eine gute Idee, ein Text oder ein<br />
Musikstück reichen ihm, um außergewöhnliche Theaterabende<br />
zu entwickeln. In Basel gründete er 1991 das Theater KLARA,<br />
eine freie Theatertruppe, mit der er kontinuierlich Stücke entwickelte,<br />
die in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren<br />
und sind. So spielten sie unter anderem beim Theaterspektakel<br />
Zürich, am Kunstencentrum Vooruit Gent und beim Steirischen<br />
Herbst Graz.<br />
In Luzern arbeitete Frick 1999 erstmals an einem Stadttheater.<br />
In den folgenden Jahren entstanden außerdem Produktionen<br />
am Schauspiel Hannover und am Schauspiel Köln, später<br />
am Theater Freiburg und an den Münchner Kammerspielen.<br />
Frick inszenierte dort Stücke des klassischen Dramenrepertoires<br />
wie „Wilhelm Tell“ und „Peer Gynt“ in Luzern, „Nathan<br />
der Weise“ und „Die Räuber“ in Hannover, „Die Nibelungen“<br />
in Freiburg oder Camus’ „Belagerungszustand“ in<br />
München. Seit kurzem beschäftigt sich Christoph Frick wieder<br />
mit Projekt-Theaterformen im Stadttheater, arbeitet mit Musikern,<br />
Tänzern und nichtprofessionellen Darstellern. Jetzt<br />
entwickelt er einen Abend nach zentralen Motiven der Romantik,<br />
für den Karsten Riedel die Musik schreibt. Es ist das erste<br />
Mal, dass Frick und Riedel zusammenarbeiten. Es entsteht aus<br />
Gedichten der Romantik, mit Reden von Kanzlern und Kommunalpolitikern,<br />
mit Texten von Philosophen und Pop-Poeten<br />
ein romantisch-musikalischer Abend.<br />
81<br />
Oft ist die Natur<br />
Nicht eiNmal schöN<br />
Ein romantisches Requiem<br />
von Christoph Frick und Karsten Riedel<br />
premiere am 3. dezember <strong>2010</strong> in den Kammerspielen<br />
Wenn wir an die Schönheit der natur denken, blüht sie immer,<br />
immer scheint in ihr die Sonne, immer ist es eine sternenklare<br />
Vollmondnacht, die den blick auf das Meer und<br />
die imposanten berge frei gibt. Wir wollen eine Urlaubskatalog-natur,<br />
ein Schöner-Wohnen-paradies, ein drei-<br />
Wetter-Taft-Klima, das unsere gestressten Seelen streichelt,<br />
uns das herz erwärmt und der Frisur nichts anhaben kann.<br />
Sicher soll uns die natur auch Ehrfurcht lehren, aber bitte<br />
ohne uns wirklich nah zu kommen. natur, die sticht, kratzt<br />
und juckt, natur, die unsere Keller überschwemmt und den<br />
dreck in die augen bläst, stört. Wir sind gegen Tsunami-<br />
Wellen, gegen Wirbelstürme, gegen dauerregen, Erdrutsche,<br />
Lawinenabgänge und Gletscherschmelze. Wir wissen,<br />
dass die Klimakatastrophe auf uns lauert und können doch<br />
nichts anderes, als kleine Schritte tun. „Was sind schon<br />
zwei Grad mehr?“, denken wir und sitzen in perfekter Outdoor-ausrüstung<br />
vor einem Lagerfeuer auf dem dafür ausgezeichneten<br />
Rastplatz, essen einen bio-apfel, ignorieren<br />
den duft der Mückenschutzcreme in unserem Gesicht und<br />
stimmen ein schönes Lied aus alten Tagen an. Vielleicht<br />
eines von Eichendorff. Er und die anderen Romantiker<br />
betrauerten lange vor uns in ihren Gedichten und Liedern<br />
die Verwandlung der Welt. Viele folgten ihnen nach: Sid<br />
Vicious, Morrisey von The Smiths, The cure – allesamt Romantiker<br />
pur. bob dylans balladen einer vergangenen zeit.<br />
Rio Reiser, ein deutscher Romantiker. nick cave, sowieso.<br />
Rock pop punk – eine einzige romantische bewegung:<br />
zwischen Wut und Weinerlichkeit, Mut und Melancholie,<br />
Weltschmerz und Wahnsinn bewegen sich die immer neuen<br />
Wilden. das hat mit Joseph von Eichendorff begonnen<br />
und wo es endet, das wissen wir nicht. Vielleicht bei Karsten<br />
Riedel. zusammen mit dem Regisseur christoph Frick<br />
entsteht dieser abend über ein romantisches bild der natur<br />
im zwielicht des Klimawandels.<br />
Regie: Christoph Frick<br />
Musik: Karsten Riedel<br />
Bühne: Thomas Dreißigacker<br />
Dramaturgie: Olaf Kröck, Sabine Reich