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Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum

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noGAIn<br />

next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets<br />

wie sehr sie an dieser region hängen<br />

und die fehler der Vergangenheit<br />

nicht wiederholen möchten. es geht<br />

nicht um die frage, wie weit das, was<br />

ein anderer hier aufstellt, in die ferne<br />

leuchtet, sondern wie hell das,<br />

was sie tun, in die verwinkeltsten<br />

gesellschaftsschichten ihrer region<br />

strahlt. wie tief haben sich die identitäts-wurzeln<br />

in diesen boden, auf<br />

dem sie stehen, geschlagen? next<br />

generation ist keine party, sondern<br />

eine bestandsaufnahme.<br />

mit diesen gedanken im kopf<br />

streife ich durch das ruhrgebiet und<br />

sehe, wie vieles, was herangeschafft<br />

wurde, diese region im wahrsten sinne<br />

des wortes ausgehöhlt hat. Das<br />

ganze ruhrgebiet ist ein schweizer<br />

käse, das wissen die hier oben sehr<br />

gut. aber nicht nur der boden unter<br />

ihren füßen ist löchrig, sondern<br />

auch vieles über der erde. Die gesellschaft<br />

ist löchrig. Das miteinander<br />

ist löchrig. Das zwischenmenschliche<br />

leben ist ausgehöhlt. Der gesellschaftspakt<br />

in den kommunen<br />

steht kurz vor seiner kündigung. Das<br />

spüren sie täglich, wenn sie merken,<br />

dass sie nicht wirklich miteinander<br />

reden, sich nicht zusammentun.<br />

DAS RUhRGEBIEt ISt EIn<br />

SchWEIzER käSE. nIcht<br />

nUR DER BoDEn UntER<br />

DEn füSSEn ISt löchRIG,<br />

SonDERn AUch vIElES<br />

üBER DER ERDE<br />

Der Verteilungskampf werde härter,<br />

sagen sie bei pottporus, dem<br />

Zukunftshaus in herne. man sei<br />

sich all die jahre eher aus dem weg<br />

gegangen als aufeinander zu. Damit<br />

muss schluss sein. Die Zukunftshäuser<br />

wollen das ändern. man will<br />

nicht nur für sich arbeiten, sondern<br />

miteinander und vor allem: füreinander.<br />

schluss mit dem klein-klein<br />

der eigenen ideen. Dieser ideenwahn<br />

ist der goldene Käfig, aus dem man<br />

nicht mehr rauskommt. stattdessen:<br />

Die kräfte und die ideen bündeln.<br />

ab jetzt. global denken? oder: doch<br />

regional? Vielleicht: regional-global?<br />

wer wagt es, die bewegung von in-<br />

59<br />

nen nach außen zu tragen? wie auch<br />

immer. mit larmoyanten frequenzen,<br />

kitschigen selbstbeweihräucherungen,<br />

heimatlicher folklore und<br />

kochkursen ist schluss. Dieser wind<br />

geht durch alle Zukunftshäuser. Diese<br />

region hat sich niemals vor arbeit<br />

gedrückt. sie sind in 1.000 meter<br />

tiefe gestiegen, um den rest der republik<br />

mit wärme zu versorgen und<br />

die Zeche zu zahlen für einen sinnlosen<br />

2. weltkrieg. und jetzt?<br />

nExt GEnERAtIon ISt kEInE<br />

pARty, SonDERn EInE<br />

BEStAnDSAUfnAhmE.<br />

hier gibt es mit abstand die jüngsten<br />

und zupackendsten menschen<br />

unserer republik. nirgendwo sonst<br />

sieht man migranten und Deutsche<br />

so eng und friedlich nebeneinander<br />

leben. hier brennen keine mülltonnen.<br />

keine polizeiautos. keine<br />

schulen. keine kirchen. keine synagogen.<br />

keine moscheen. während<br />

die schweiz über minarette streitet,<br />

zieht hier ein deutscher maurer die<br />

innenwände einer moschee hoch.<br />

Das sind die leuchttürme, die<br />

in die tiefe leuchten und die dunklen<br />

löcher unserer gesellschaft mit<br />

licht füllen. Das sind geschichten,<br />

die erzählt werden müssen. mit den<br />

mitteln, die zur Verfügung stehen.<br />

Das sind die antworten, die gefunden<br />

werden müssen und die aufhorchen<br />

lassen, wenn man durch die gassen<br />

von marxloh geht, durch herne,<br />

durch wattenscheid. raus aus dem<br />

Zukunftshaus. rein ins leben.<br />

seit jahren sei hier nicht so<br />

was großartiges gebaut worden,<br />

schwärmt der deutsche maurer,<br />

matthias, aus marxloh. und ja: er<br />

ist stolz auf diese moschee, in der<br />

sein kumpel, massoud, der araber,<br />

betet. Die wand der moschee hat er<br />

verputzt. ärger hat er zunächst schon<br />

bekommen, einige haben ihre aufträge<br />

zurückgezogen. ein paar leute<br />

seien richtig angepisst gewesen. aber<br />

da habe er gemerkt, dass die gar kein<br />

problem mit massouds glauben haben,<br />

sondern mit diesem riesending.<br />

so als würde plötzlich einer, der die

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