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Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum

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hallo <strong>Bochum</strong>,<br />

24. märz <strong>2010</strong><br />

hier kommt eine nachricht vom anderen ende der Welt:<br />

gerade arbeite ich an der Produktion „life streaming“, die wir im oktober an<br />

ihrem theater zeigen werden. ich habe eben mal im internet nachgesehen und<br />

herausgefunden, dass <strong>Bochum</strong> 8212 km von dem ort entfernt ist, an dem ich<br />

im augenblick bin.<br />

in den letzten Jahren habe ich Produktionen entwickelt, die die Distanz definiert<br />

haben, die wir zueinander haben; also die tatsächliche und die emotionale<br />

Distanz, die wir für Menschen empfinden, denen wir zufällig begegnen<br />

– im supermarkt, in der nachbarschaft, in dem haus, in dem wir leben. in „You<br />

are here“ habe ich ein hotel gebaut, das ein model für unsere gesellschaft sein<br />

sollte, in der wir nur 80 cm von unseren nachbarn entfernt schlafen, ohne sie<br />

eigentlich zu kennen. in „life streaming“ werde ich das gegenteil machen. ich<br />

versuche, die Distanz zu den menschen zu bestimmen, die wirklich ganz woanders<br />

leben, denen wir aber über das internet oder die medien zu jeder beliebigen<br />

tagesszeit in unseren Wohnzimmern begegnen können. ich arbeite mit einer<br />

gruppe von zwanzig Darstellern. Die eigentliche Vorstellung wird in einem internet-Café<br />

stattfinden, das wir auf dem Platz vor dem <strong>Schauspielhaus</strong> aufbauen<br />

werden. Jeder Zuschauer wird mit einem Darsteller in direkten Kontakt treten,<br />

der hier am strand sein wird.<br />

ich habe mich entschieden, nicht zu sagen, wo ich genau bin. Der ort liegt<br />

von <strong>Bochum</strong> etwa soweit entfernt wie miami, ist aber auf einem anderen Kontinent.<br />

ich arbeite in einem land, in dem es keine schauspielschule gibt. Die<br />

Vorstellungen, die ich hier bisher gesehen habe, würden wir europäer als Folklore<br />

beschreiben. es ist ein tourismusland, aber in der hauptstadt sind überall<br />

checkpoints des militärs. Die surfer am strand wurden gestern von einem Boot<br />

der marine bewacht. Vor noch nicht all zu langer Zeit waren Bilder einer Katastrophe<br />

aus diesem land auf der ganze Welt zu sehen. es scheint, als würden tourismus<br />

und tod manchmal hand in hand gehen: ich wohne gerade in einem<br />

der beliebtesten städtchen am meer und doch geben sich die leute hier keine<br />

mühe, die vielen gräber vor den touristen zu verstecken. aber wenn man es<br />

nicht selber gesehen hat, versteht man wahrscheinlich nicht, wie friedlich und<br />

schön es hier ist.<br />

Wie und ob ich all diese Eindrücke in die Produktion einfließen lasse, weiß<br />

ich noch nicht. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass all dies sehr inspirierend und<br />

verwirrend ist. ich frage mich, wie wir europäer mit tod und Verlust umgehen,<br />

bei der Überdosis von Bildern, mit denen wir täglich in den acht-uhr-nachrichten<br />

konfrontiert werden. und ich frage mich, ob die menschen hier emotional<br />

anders beschaffen sind und uns das die erbärmlichen Bilder, die wir in europa<br />

empfangen, gar nicht vermitteln. schaffen medien wie das internet wirklich<br />

einfachere Verbindungen zwischen den menschen oder sorgt eine höhere Bandbreite<br />

der Datenströme für eine größere Unfähigkeit, wirklich miteinander in<br />

Kontakt zu treten?<br />

Es grüßt herzlich von einem windigen Ort<br />

Dries Verhoeven<br />

aus Dem englischen Von olaF KröcK<br />

49<br />

LIFE STREAMING<br />

Is it really possible to connect to people<br />

at the other side of the world?<br />

Eine Weltverbindung von Dries Verhoeven<br />

Premiere am 1. oktober <strong>2010</strong><br />

auf dem Platz vor dem schauspielhaus<br />

Dries Verhoeven zählt zu den interessantesten jungen europäischen<br />

Künstlern. seine arbeiten bewegen sich zwischen<br />

Dokumentar-theater und bildender Kunst. Der<br />

1973 geborene niederländer entwirft seit 2002 eigene installationen<br />

und experimentelle inszenierungen, die auf<br />

diversen Festivals gezeigt wurden. Sie finden oft im öffentlichen<br />

raum statt. in seinen aufwendigen Produktionen<br />

bekommt der Zuschauer immer eine aktive rolle und wird<br />

in das geschehen verwickelt. und man lässt es erstaunlicherweise<br />

gerne mit sich machen. Verhoeven spielt mit<br />

unserer Wahrnehmung, manipuliert die Besucher seiner<br />

installationen emotional. er kommt uns nahe, balanciert<br />

an der grenze, wo es zu nah werden kann. Dabei ist er aber<br />

nie aggressiv überrumpelnd, immer lässt er raum für den<br />

rückzug. so erlebt man in seinen inszenierungen die Welt<br />

auf eine neue, verwirrende und poetische Weise. 2009<br />

erhielt er für seine hotel-installation „You are here“ den<br />

„Young Directors award“ der salzburger Festspiele. Jetzt<br />

zeigt er seine neue Produktion in Koproduktion mit dem<br />

schauspielhaus <strong>Bochum</strong>, in der sich die Zuschauer live mit<br />

dem anderen ende der Welt verbinden und mit fremden<br />

menschen in direkten Kontakt treten.<br />

Konzept und Regie: Dries Verhoeven<br />

30. September (Voraufführung); 1. (Premiere) bis 3. Oktober<br />

und 7. bis 10. oktober <strong>2010</strong> jeweils um 10.00 uhr,<br />

12.00 uhr und 13.45 uhr für je 20 Personen auf dem Platz<br />

vor dem schauspielhaus.<br />

aufgrund der Zeitverschiebung zum anderen ende der Welt<br />

finden die Vorstellungen am Vormittag statt.<br />

Die Vorstellungen sind in englischer sprache.<br />

Eine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit<br />

dem <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>, dem Festival a/d Werf (Utrecht)<br />

und LIFT (London)<br />

Mit Unterstützung durch den Fonds Podiumkunsten, Prince<br />

Bernhard Cultural Fund, Hivos-NCDO Cultural Fund, BKVB<br />

and SNS Reaal Fund, VSBfonds und dem Theaterinstitut der<br />

Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.<strong>2010</strong>

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