wIe Kommt dIe weLt Ins tHeAter? — dIe Autoren Das <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong> war schon immer auch ein Ort für Uraufführungen und neue Autoren. Fünf von ihnen werden in der kommenden Spielzeit ihre Stücke in <strong>Bochum</strong> zeigen. Sie gehören alle zur gleichen Generation, was nicht heißt, dass sie immer das Gleiche denken. Nicht einmal, dass sie alle immer das Gleiche tun. Wie unterschiedlich sie sind, wird <strong>Bochum</strong> bald nicht nur durch ihre Stücke erfahren, sondern auch durch viele Veranstaltungen, in denen sie von sich und ihrer Welt erzählen werden. Ein erstes Treffen mit Nuran David Calis, Reto Finger, Dirk Laucke, Jan Neumann und Christoph Nußbaumeder. IntervIew: AnnA HAAs und tHomAs LAue Fotos: dIAnA Küster 68
Aus welchen Gründen entscheidet man sich heute dafür, ausgerechnet Theaterautor zu werden? Reto Finger: Ich wollte ursprünglich gar nichts mit theater zu tun haben, obwohl es in meiner Familie einige musiker und theaterleute gibt. Ich habe Jura studiert. mit 25 habe ich gemerkt, dass mir das nicht reicht. Ich wollte mich nicht ausschließlich Christoph Nußbaumeder geboren 1978 in Eggenfelden/Niederbayern, lebt seit 11 Jahren in Berlin. 2004 gewann er den Preis des Stückewettbewerbs der Berliner Schaubühne für sein Stück „Mit dem Gurkenflieger in die Südsee“. Nußbaumeder schreibt in der Tradition des kritischen Volksstücks, erzählt von den Verlierern, aber auch von den Gewinnern unserer Gesellschaft. Mit wenigen Worten gelingt es ihm, seine Figuren messerscharf zu charakterisieren. Nußbaumeders Stücke wurden an der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen, am Nationaltheater Mannheim, am Schauspiel Köln und am Schauspiel Essen uraufgeführt. als Jurist mit dem Leben auseinandersetzen. nun wechsele ich hin und her: es gibt Phasen, in denen man das Leben beschreiben kann, und es gibt Phasen, in denen man es leben muss. Ich kann deshalb auch nicht durchgehend intensiv schreiben. Ich muss immer wieder außerhalb des theaters arbeiten, um auf neue dinge zu stoßen, die mich inspirieren. Jan Neumann: Arbeitest du immer noch als Jurist? Reto Finger: Ja, hin und wieder. Nuran David Calis: Immer, wenn ich ihn anrufe, höre ich: „Ich verfasse gerade einen Bericht für einen richter.“ Als ich ihn in Zürich besucht habe, sind wir durch das Büro irgendeines staatsanwaltes und haben Akten gesucht. manchmal findet man ihn nur noch im Gericht. Christoph Nußbaumeder: Ich wollte auch nie zum theater. Aber ich habe früh geschrieben. verschiedenes: Kurzprosa, Lyrik, alles mögliche und plötzlich entstand auch ein theaterstück. das wurde relativ rasch uraufgeführt und danach kamen die ersten stückaufträge. Ich hätte nie gedacht, dass es eine spezielle szene für dramatik gibt und dass man davon leben kann. Ich hatte mir Autoren immer eher wie Goethe vorgestellt (lacht): man macht irgendwie alles. Dirk Laucke: Ich habe szenisches schreiben studiert, an der udK in Berlin. mir war es auch nicht so klar, dass ich theaterautor werden möchte. Ich habe halt texte t geschrieben, auch mal ein theaterstück. Ich habe mich dann mit einem Fragment beworben und studiert, weil es besser war als Psychologie, was ich ursprünglich machen wollte. nach den ersten erfolgen bin ich dann auch in diese sogenannte spirale gekommen. Ich habe aber auch keinen Bock, einen anderen Beruf zu machen, also schreibe ich. Nuran, du bist Regisseur, Autor und Filmemacher. Was hast du studiert? Nuran David Calis: regie. In münchen, an der Falckenberg schule. daher kenne ich auch Jan neumann. der war auf der theaterakademie als schauspielschüler ein Jahrgang über mir. wir fanden das damals total krass, dass euer gesamter Jahrgang ans residenztheater engagiert wurde. Ihr wart unsere Idole. Jan Neumann: d a hattet ihr aber komische Idole. 69 EisEnstE nstE nst in von Christoph Nußbaumeder uraufführung am 26. september <strong>2010</strong> in den Kammerspielen Glücklich sind sie nicht geworden, die schatzschneiders aus eisenstein. sind von eisenstein nach münchen gegangen, reicher geworden und mächtiger über die Jahre, aber das unglück lag wie ein Fluch über dieser Familie. dabei standen 1945 die sterne gut für den alten Josef schatzschneider: In den wirren der nachkriegsjahre hat er sich gut gestellt mit den Alliierten, hat seinen Bruder, der bei der ss war, durchbringen können und nebenbei noch erna, die junge Frau, die als Flüchtling zu ihnen kam in den letzten Kriegstagen. einen unehelichen sohn hat er mit ihr, glaubt er. der Junge Georg wächst in eisenstein auf, erhält Josefs Bruder zum stiefvater und wird zum ehrgeizigen und erfolgreichen unternehmer. Als Georg sich in Gerlinde, Josefs tochter, t verliebt, muss Josef seine vaterschaftvbeich- ten und das Paar trennen. erna schweigt zu alledem, doch sie allein und die wahrheit w über Georgs wirklichen vater v könnten die beiden unglücklichen erlösen. Als sie zu reden beginnt, ist es zu spät. Georg heiratet Heidi, die jüngere schwester Gerlindes, die ehe scheitert. erst die dritte Generation der schatzschneiders ist in der Lage, das schweigen und die Lügen zu durchbrechen. e ingebettet in historische und politische ereignisse erzählt Christoph nußbaumeder die saga einer zerrissenen Familie, die nicht zu sich findet. So ist es auch die Geschichte der Bundesrepublik deutschland, die sich nur langsam aus den schatten und dem schweigen der verganv genheit löst. Regie: Anselm Weber Bühne: Patrick Bannwart Kostüme: Meentje Nielsen Musik: Cornelius Borgolte Video: Bibi Abel Dramaturgie: Thomas Laue, Sabine Reich mit: dietmar Bär, roland Bayer, maja Beckmann, Annemarie Bubke, Bettina engelhardt, Andreas Grothgar, Jonas Gruber, martin Horn, Karolina Horster, Kristina-maria Peters, sierk radzei, Krunoslav Šebrek