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Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2010/2011 - Schauspielhaus Bochum

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Stream of consciousness<br />

der regisseur roger vontobel über<br />

noch ungeordnete Gedanken vor<br />

dem ersten probentag.<br />

die labdakiden. lange vor dem ersten<br />

Probentag. ein berg von einem<br />

Stück. wie beginnen? Zwei textstellen<br />

während der Vorbereitung:<br />

„lass nicht ab, mein Zorn, lass<br />

nicht ab, und ihn, der großes sinnt,<br />

schlage nieder, miss dich mit ihm,<br />

zerfleische ihn selbst mit deinen<br />

händen. du suchst dem alkiden<br />

einen ebenbürtigen?! Keiner ist es,<br />

außer ihm selbst: so führe er fortan<br />

Kriege mit sich selbst! ... nun soll<br />

der Krieg beginnen: hell wird der tag,<br />

und in safranfarbigem aufgang tritt<br />

titan leuchtend hervor.“<br />

das unauswegliche, geradzu unmögliche<br />

in den worten Senecas, die<br />

er als Juno im Prolog seinem Stück<br />

„hercules“ voranstellt, in Kombination<br />

mit folgendem Zitat aus Kleists<br />

Penthesilea:<br />

„wenn du dem wind, der von den<br />

bergen weht, willst horchen, Kannst<br />

du den donnerruf der Königin, gezückter<br />

waffen Klirren, rosse wiehern,<br />

drommeten, tuben, Zimbeln<br />

und Posaunen, des Krieges ganze<br />

eh’rne Stimme hören.“<br />

Zusammen ergeben sie für mich den<br />

drang und die notwendigkeit Fragen<br />

zu stellen – theatral Fragen zu stellen<br />

– an menschen, über menschen,<br />

durch menschen. und vor allem wegen<br />

menschen. denn um menschen<br />

geht es immer in erster linie. um<br />

menschen und ihre geschichte, ihre<br />

Biografie – oder wie es die Griechen<br />

und nach ihnen viele mehr nannten:<br />

Schicksal.<br />

„tun. leiden. lernen“, heißt es in<br />

der „Orestie“, die ich 2008 in essen<br />

inszeniert habe. auch damals antike.<br />

und passend. denn tun tun wir alle,<br />

leiden auch manchmal wegen unseres<br />

tuns, und lernen können wir<br />

daraus, indem wir die Fragen an die<br />

beiden vorherigen tätigkeiten stellen<br />

und sie verknüpfen – und schon sind<br />

wir wieder beim motto der griechen,<br />

der älteren generation von griechen<br />

zumindest.<br />

ach ja, und eigentlich meine lieblingsstelle<br />

aus dem „Philotas“ von<br />

lessing, die muss auch immer irgendwie<br />

noch am anfang mal im<br />

Kopf rumgeistern:<br />

„was wollte ich also sagen? So<br />

einen guten einfall nun, wollte ich<br />

sagen, als das glück oft in das albernste<br />

gehirn wirft, so einen habe<br />

ich jetzo ertappt. bloß ertappt; von<br />

dem meinigen ist nicht das geringste<br />

dazu gekommen. denn hätte mein<br />

Verstand, meine Erfindungskraft einigen<br />

anteil daran, würde ich ihn<br />

nicht gern mit dir überlegen wollen?<br />

aber so kann ich ihn nicht mit dir<br />

überlegen; er verschwindet, wenn ich<br />

ihn mitteile, so zärtlich, so fein ist er,<br />

ich getraue mir ihn nicht in worte zu<br />

kleiden; ich denke ihn nur, wie mich<br />

der Philosoph gott zu denken gelehrt<br />

hat, und aufs höchste könnte ich dir<br />

nur sagen, was er nicht ist.“<br />

So, und dann fangen wir mal an, das<br />

bevorstehende neue Stück zu lesen –<br />

erster Schritt: buchdeckel umklappen<br />

...<br />

roGEr vontobEl<br />

geboren 1977, aufgewachsen in Zürich<br />

und Johannesburg, gehört derzeit zu<br />

den wichtigen Regisseuren seiner Generation.<br />

In seinen Inszenierungen sucht<br />

er immer wieder sehr genau nach einem<br />

eigenen ästhetischen Zugriff für den<br />

vorliegenden, meist literarischen Stoff.<br />

2006 war er zum „Young Directors<br />

Project“ der Salzburger Festspiele eingeladen<br />

und wurde von den Kritikern der<br />

Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur<br />

des Jahres gewählt. Seit<br />

der Spielzeit 2005/06 arbeitet er regelmäßig<br />

am <strong>Schauspielhaus</strong> Hamburg,<br />

an den Münchner Kammerspielen<br />

und am Schauspiel Essen, wo er „Das<br />

Goldene Vlies“ von Franz Grillparzer,<br />

„Die Orestie“ des Aischylos und zuletzt<br />

Ibsens „Peer Gynt“ inszeniert hat. Ab<br />

der Spielzeit <strong>2010</strong>/<strong>2011</strong> wird er Hausregisseur<br />

am <strong>Schauspielhaus</strong> <strong>Bochum</strong>.<br />

55<br />

Die LabDakiDen<br />

Eine Politsaga – Ödipus,<br />

Sieben gegen Theben und Antigone<br />

von Sophokles und Aischylos<br />

Premiere am 9. Oktober <strong>2010</strong> im <strong>Schauspielhaus</strong><br />

Sie sind die herrscherfamilie thebens, benannt nach ihrem<br />

Stammvater, labdakos. Von generation zu generation<br />

geben sie die macht in der Stadt weiter, aber auch den<br />

blutigen Fluch, der ihre herrschaft keine glückliche sein<br />

lässt: laios, der Sohn des labdakos, wird von seinem Sohn<br />

Ödipus getötet, der dann, die eigene Schuld nicht kennend,<br />

mit seiner mutter iokaste vier Kinder zeugt: antigone und<br />

Ismene, Eteokles und Polyneikes. Kaum ist der Frevel entdeckt,<br />

bringt sich iokaste um und Ödipus geht ins exil. die<br />

nächste generation ist am Zug, doch sie ist nicht erfolgreicher:<br />

Polyneikes und Eteokles verwickeln die Stadt in einen<br />

blutigen bürgerkrieg, an dessen ende beide tot vor den<br />

Stadtmauern liegen. antigone, die Schwester, will einen<br />

von ihnen begraben, was gegen die gesetze ihres Onkels<br />

Kreon verstößt. der ist nun verzweifelt darum bemüht,<br />

recht und Ordnung wiederherzustellen und wenigstens<br />

etwas vom ruf der Familie zu retten. eine wuchtige Sage<br />

über die Kraft und Zerstörung von Politik und die beispielhaften<br />

Verwicklungen einer beispiellosen Familie – erzählt<br />

in drei großen antiken Stücken, inszeniert in einer Fassung<br />

für einen abend.<br />

Regie: Roger Vontobel<br />

Bühne: Claudia Rohner<br />

Kostüme: Nadine Grellinger<br />

Dramaturgie: Anna Haas, Thomas Laue<br />

mit: manuela alphons, matthias eberle, Jonas gruber,<br />

Paul herwig, barbara hirt, dieter hufschmidt, Katharina<br />

linder, dimitrij Schaad, michael Schütz, lena Schwarz,<br />

Philipp weigand<br />

Die Jungfrau von<br />

orLeans<br />

von Friedrich Schiller<br />

Premiere im Juni <strong>2011</strong> in den Kammerspielen<br />

Sie fragt sich nicht, woran sie glauben soll. Sie glaubt. eine<br />

göttliche Stimme hat ihr befohlen, Frankreich von den englischen<br />

invasoren zu befreien. dabei ist Johanna ein mädchen<br />

vom land. unbeirrt folgt sie ihrem göttlichen auftrag<br />

und führt das französische heer, dessen verzagender Führer,<br />

der französische König Karl, kurz vor der Kapitulation<br />

stand, von Sieg zu Sieg. Souverän bewegt sie sich auf dem<br />

männlichen Schlachtfeld von Krieg, macht und Politik.<br />

ihr glaube ist unerschütterlich, doch plötzlich gerät sie<br />

ins Straucheln: im Zweikampf mit dem engländer lionel<br />

verliebt sie sich – in den Feind. Völlig überrascht sieht sich<br />

die scheinbar unbesiegbare Jungfrau mit einer macht konfrontiert,<br />

vor der sie ihre waffen strecken muss. woran soll<br />

sie noch glauben? an ihren „Schlachten gott“, an die<br />

macht der liebe, an sich selbst?<br />

Regie: Roger Vontobel<br />

Bühne: Claudia Rohner

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