Amt und Ordination in der reformierten Kirche - reformiert-info.de
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106 <strong>reformiert</strong>e akzente 8<br />
verdient). Die dritte <strong>und</strong> knappste Rubrik widmet sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Thematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre <strong>und</strong> damit<br />
auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage von „Wahrheit <strong>und</strong> Pluralismus“; letzteres e<strong>in</strong> Aufsatz aus <strong>de</strong>m Jahre 1980.<br />
Der vierte <strong>und</strong> umfangreichste Abschnitt ist <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Freiheit <strong>und</strong> damit ethischen<br />
Gr<strong>und</strong>satzfragen gewidmet. Hier f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich sowohl Interpretationen Melanchthons <strong>und</strong><br />
Luthers wie auch die Aufnahme gesellschaftskritischer Impulse, explizit von Horkheimer.<br />
Die Auswahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Texte aus 36 Jahren zeigt e<strong>in</strong>en Denker, <strong>de</strong>m es <strong>in</strong> produktiver Weise<br />
zu eigen war, im Gespräch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> klassischen <strong>und</strong> zeitgenössischen Philosophie F<strong>und</strong>amentaltheologie<br />
im besten S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>s Wortes zu treiben. E<strong>in</strong>erseits tragen die vor allem aus<br />
<strong>de</strong>n sechziger <strong>und</strong> siebziger Jahren stammen<strong>de</strong>n Aufsätze das Kolorit ihrer Zeit <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d<br />
auch zeitgeschichtlich zu lesen. Aber <strong>in</strong> ihren immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich argumentieren<strong>de</strong>n<br />
Dimensionen können sie auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Theologie <strong>de</strong>s 21. Jahrh<strong>und</strong>erts spannen<strong>de</strong> Impulse<br />
geben. So ist etwa die sich gegenwärtig immer stärker zu Wort mel<strong>de</strong>n<strong>de</strong> systematischtheologische<br />
Relevanz <strong>de</strong>s historischen Jesus mit <strong>de</strong>m Geyer-Satz zu kontrastieren: „Jesu<br />
Tod am Kreuz ist die Aporie <strong>de</strong>s historischen Jesus; <strong>und</strong> <strong>de</strong>n historischen Jesus gibt es nur<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Aporie se<strong>in</strong>es To<strong>de</strong>s.“ (S. 199) – dieser nur von <strong><strong>de</strong>r</strong> Osterbotschaft her sagbare Satz<br />
gibt <strong><strong>de</strong>r</strong> „S<strong>in</strong>nfrage <strong>de</strong>s Kreuzes … e<strong>in</strong>e unendliche Offenheit, kraft <strong><strong>de</strong>r</strong>en sie gegenüber<br />
allen Antworten <strong>und</strong> durch diese h<strong>in</strong>durch e<strong>in</strong>en unzerstörbaren Vorrang behält, ohne daß<br />
dadurch die Antworten bzw. die theologischen Begriffe, die zum Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Antwort entwickelt<br />
wer<strong>de</strong>n, zunichte gemacht wer<strong>de</strong>n.“ (S. 206) Hier zeigt sich Geyers theologische<br />
Präzision, die nie zu e<strong>in</strong>er Enge führt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Gespräch konzentriert öffnen kann.<br />
E<strong>in</strong>e an<strong><strong>de</strong>r</strong>e spannen<strong>de</strong> Anfrage ist <strong>de</strong>m Aufsatz „Wahrheit <strong>und</strong> Pluralismus“ zu entnehmen.<br />
Geyer stellt fest, dass die Wahrheitsfrage im Gefolge <strong><strong>de</strong>r</strong> „Verwissenschaftlichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Technik“ <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Technifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaften“ (S. 304) zu e<strong>in</strong>er „Lozierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wahrheitsfrage im Zentrum <strong><strong>de</strong>r</strong> Macht“ geführt habe, „was – wenn es nicht das Staatsbegräbnis<br />
1. Klasse für die Wahrheitsfrage überhaupt be<strong>de</strong>utet – ihrer E<strong>in</strong>kerkerung im<br />
sichersten Zuchthaus <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt gleichkommt.“ (S. 305) Weil die <strong>Kirche</strong> mit ihrer Lehre<br />
aber nie von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrheit absehen darf, muss gefragt wer<strong>de</strong>n, wor<strong>in</strong> ihr (auch gesellschaftspolitischer)<br />
Beitrag zur Befreiung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrheit bestehen kann.<br />
Geyer gibt ke<strong>in</strong>e vorschnellen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fachen Antworten. Aber er führt se<strong>in</strong>e Leser <strong>und</strong><br />
Leser<strong>in</strong>nen immer auf gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Punkte <strong><strong>de</strong>r</strong> Theologie. Dieses Verfahren macht es<br />
Menschen, die ihn als Person nicht kannten <strong>und</strong> ihn sich daher auch nicht bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Lektüre<br />
vorstellen können, nicht immer leicht, zumal se<strong>in</strong> Vorgehen oft kreisend ist. Aber dar<strong>in</strong><br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>t er die Leser <strong>und</strong> Leser<strong>in</strong>nen heraus, selber zu Gott-Denkern <strong>und</strong> -Denker<strong>in</strong>nen zu<br />
wer<strong>de</strong>n. Und das ist e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Theologie, auch im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Georg Plasger