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„Aber Tante Rosa,“, protestierte Gerhard, „ du hast doch selber verlangt, dass <strong>ich</strong> mit<br />
<strong>An</strong>zug und Binder komme. Du hast d<strong>ich</strong> sogar beschwert, dass dein Schwiegersohn<br />
Weihnachten immer nur im Rollkragenpullover erscheint“<br />
„Beim letzten Mal hatte er eine Krawatte um.“, grinste Walter und Rosa presste ihre<br />
Lippen zu schmalen Str<strong>ich</strong>en zusammen.<br />
„Erinnere m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t daran, er hatte sie über den Rollkragen gebunden.“<br />
Ungefähr zwei Stunden nach dem Mittagessen mussten wir schon wieder hungrig<br />
sein, weil Kaffee und eine Buttercremetorte, die ungefähr so groß wie der Brocken<br />
im Harz war, aufgetischt wurden. Der Einfachheit halber servierte Rosa gle<strong>ich</strong> jedem<br />
sein Tortenstückchen auf dem Teller. Sie holte dabei aus dem ganzen Kuchen genau<br />
fünf Monsterstücke heraus und überhörte großzügig unseren Protest.<br />
„Esst nur, esst, das werdet ihr schon schaffen!“<br />
Als Gerhard als einziger tatsächl<strong>ich</strong> alles verspeist hatte, starrte sie ihn an und<br />
bemerkte: „Du kannst vielle<strong>ich</strong>t Mengen verdrücken!“<br />
Zweieinhalb Stunden später gab es Abendbrot – Kartoffelsalat und Würstchen. Im<br />
Kartoffelsalat waren rohe Eier und meine Mutter musste s<strong>ich</strong> erbrechen, weil sie s<strong>ich</strong><br />
davor ekelte.<br />
Wir saßen dann noch eine Weile zusammen und Rosa zeigte uns, was sie alles billig<br />
eingekauft hatte. Im Schlafzimmer war das reinste Warenlager. Schuhe, die n<strong>ich</strong>t<br />
passten, Kleider, die völlig aus der Mode waren und Bettwäsche, die schon in den<br />
Dreißigern keiner mehr genommen hätte. Aber es war alles billig gewesen. Wir<br />
mussten uns sagen lassen, dass wir ja allgemein viel zu teuer einkauften.<br />
Einige Wochen nach dem Besuch, fand <strong>ich</strong> eines Abends Mona Marie zusammen mit<br />
meiner Mutter vor, wie sie irgendwelche Schilder beschrifteten.<br />
„So,“, gab meine Mutter äußerst zufrieden von s<strong>ich</strong>, „ wir fahren jetzt nach<br />
Kachtenhausen und ärgern die Rosa.“<br />
Ich war verdutzt. „Heute Abend noch?“<br />
„Ja, die gehen immer um elf Uhr ins Bett. Bis dahin sind wir dort und stellen, wenn<br />
alles im Haus dunkel ist, die Schilder auf. Und <strong>ich</strong> habe n<strong>ich</strong>t vor, dabei auf Rosas<br />
labilen Blutdruck Rücks<strong>ich</strong>t zu nehmen..“<br />
Ich sah mir die Schilder an. „Zimmer zu vermieten“, „Kartoffeln zu verkaufen“, „ Auto<br />
zu verkaufen“ .<br />
Ich grinste: „Da werden die Nachbarn am nächsten Morgen bestimmt denken, der<br />
Rosa und dem Walter geht es aber schlecht.“