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An solchen Tagen könnte ich ...

Maggie Milton

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versuchte, die Tagesklatschpresse zu lesen. Ich studierte mittlerweile eine<br />

Autozeitung und nahm n<strong>ich</strong>t wahr, worüber die anderen s<strong>ich</strong> unterhielten. Alles<br />

schien in bester Ordnung, so etwa vier Minuten lang. Dann war es auf einmal so, als<br />

dehnten s<strong>ich</strong> im Nebenraum einige Turbulenzen aus. Mehrere Stühle wurden<br />

gerückt und etwas fiel polternd zu Boden.<br />

Elvira versuchte weiter zu lesen und nahm dabei ihren rechten Zeigefinger zu Hilfe,<br />

mit dem sie die Zeilen nachzog. Sie hatte lange, hellblau lackierte Nägel, die s<strong>ich</strong><br />

bestens dafür eigneten. Unterdessen dehnte s<strong>ich</strong> der Geräuschpegel im<br />

Fahrerwarteraum bis zur Schmerzgrenze aus. Elviras Hand mit der Kaffeetasse<br />

zitterte, als hätte sie einen akuten <strong>An</strong>fall von Schüttelfrost. Dabei war unklar, ob sie<br />

das soeben Gelesene verarbeitete oder s<strong>ich</strong> erschrak, weil nebenan jemand plötzl<strong>ich</strong><br />

ausgiebig schrie.<br />

„Jetzt re<strong>ich</strong>t es aber!“ Hans erhob s<strong>ich</strong> und nahm noch einen Schluck von seinem<br />

Eiweißgetränk. Die braunbeige Masse schien s<strong>ich</strong> auszudehnen und wirkte seltsam<br />

unabhängig, so als würde sie jeden Moment ihren eigenen Staat ausrufen. „Ich sehe<br />

mal nach!“<br />

Er kam schnell wieder und sein Ges<strong>ich</strong>t sah ungesund und grünl<strong>ich</strong> aus. Dabei sollte<br />

er doch einiges gewohnt sein. Wer regelmäßig in Sportstudios trainiert, wo die<br />

Räuml<strong>ich</strong>keiten überfüllt sind mit schwitzenden Kerlen, deren Hauptkonversation aus<br />

stöhnenden und ächzenden Lauten besteht, sollte eigentl<strong>ich</strong> hart im Nehmen sein.<br />

Mit einem <strong>An</strong>flug von Würgen brachte er in meine R<strong>ich</strong>tung hervor: „Heinr<strong>ich</strong>, du<br />

wirst verlangt. Dagmar Betz und Kalle Rosenmüller sind zusammen da drin und fragt<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, was die da treiben. Nach Liebesspielen sieht das n<strong>ich</strong>t aus.“ Er gab noch<br />

ein zusätzl<strong>ich</strong>es unartikuliertes Genuschel von s<strong>ich</strong> und plumpste auf seinen Stuhl.<br />

Dann wischte er s<strong>ich</strong> mit einem Feuchtpflegetuch über die schweißnasse Stirn.<br />

Mir schwante etwas. „Was ist es diesmal?“, fragte <strong>ich</strong> argwöhnisch. „Was hat Kalle<br />

heute gegessen?“<br />

Hans winkte mit matter Gebärde ab.<br />

„Lieber Gott!“, betete <strong>ich</strong> laut. „Bitte, lass es nur Knoblauch gewesen sein!“<br />

Ich erhob m<strong>ich</strong> zögernd und entfernte noch ein imaginäres Stäubchen von meiner<br />

Jeans, ehe <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> langsam und schleppend zur Fahrersuite begab. Ich holte tief<br />

Luft, öffnete die Tür und prallte gegen eine Wand aus purem Gestank. In dem Raum<br />

waren zwei Personen anwesend und über ihnen schwebte eine drohende Wolke aus<br />

übel riechenden Ingredienzien. Kalle Rosenmüller war in seiner Jugendzeit bei der<br />

Fremdenlegion im Orient gewesen und hatte s<strong>ich</strong> dort eine Vorliebe für seltsam<br />

gewürzte Speisen angeeignet. Außerdem hielt er es mit Martin Luther und<br />

Gastgebern aus dem Morgenland, die entsprechende Geräuschabgaben, und das<br />

n<strong>ich</strong>t nur aus dem Magen, nach dem Essen als Bestätigung für die Qualität der<br />

Speisen ansahen. Offenbar hatte er gut gegessen und das re<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong> kundgetan. Er<br />

hatte eigentl<strong>ich</strong> immer gut gegessen, wenn er hier auftauchte.<br />

Kalle war von mittlerer Größe und gedrungener Gestalt. Sein Ges<strong>ich</strong>t war braun von<br />

der Sonne, aber von mehreren Narben durchzogen, die s<strong>ich</strong> wie rosa und weiße<br />

Gummischlangen über seine Wangen zogen. Sein Haar war grau und kurz

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