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„Ma-macht n<strong>ich</strong>ts. Ru-Rudolf kann fahren!“ <strong>An</strong>netraud schlug mit der flachen Hand<br />
auf den Tisch und eine Gabel hopste herunter.<br />
Rudolf schoss mit Gletscheraugen blaue Eisblitze auf sie ab. Ihm war das peinl<strong>ich</strong>.<br />
Aber <strong>An</strong>netraud war völlig unbeeindruckt. Der Portweinpanzer umhüllte sie, und sie<br />
verstand s<strong>ich</strong> prächtig mit Oma. Sie hätten Mutter und Tochter sein können, teilten<br />
sie doch die gle<strong>ich</strong>e Leidenschaft – putzen. Es dauerte n<strong>ich</strong>t lange und sie<br />
unterhielten s<strong>ich</strong> über <strong>An</strong>netrauds neuen Dampfreiniger.<br />
„Der kri-kr<strong>ich</strong>t alles sauber. Gaaanz ohne chemische Pu-Putzmittel. Da ist sogar ´ne<br />
Zahnbürste dran, mit der ma-man die Fliesenfugen rei-reinigen kann!“ <strong>An</strong>netraud<br />
kippte nach dem schwierigen Satz ein weiteres Glas mit Portwein hinunter.<br />
„Mannn,“ Oma war beeindruckt. Wahrscheinl<strong>ich</strong> rechnete sie schon in Gedanken ihr<br />
Sparbuch auf, ob so ein Reiniger abfallen <strong>könnte</strong>.<br />
„Ja, und <strong>ich</strong> baue do-doch jetzt alle vi-vier Wochen die Klo-Klos ab!“<br />
„Was?“ Das überstieg nun doch Omas weindunstige Aufnahmefähigkeit.<br />
„Na, die Klooos!“ tönte die <strong>An</strong>netraudsche Konzerttrompete. „Unter dem Becken ist<br />
es doch auch schmutzig, und <strong>ich</strong> baue die jetzt alle vier Wochen ab, um da-darunter<br />
sau-sauber zu machen!“<br />
„Sei ruhig!“, schimpfte Mona Marie, die dem Alkohol eher maßvoll zusprach. „Oma<br />
kommt ins Grübeln. N<strong>ich</strong>t, dass Tim jetzt bei ihr alle vier Wochen die Toilettenbecken<br />
abbauen muss. Der bedankt s<strong>ich</strong>. Und Heinr<strong>ich</strong> auch!“<br />
<strong>An</strong>netraud biss in ein Brötchen, in dem eine undefinierbare Masse aus Thunfisch, Ei<br />
und Tomate zusammengequetscht war. Ein Teil löste s<strong>ich</strong> aus den Brötchenhälften<br />
und landete klatschend auf dem Tisch. <strong>An</strong>nnetraud ignorierte das und sprach mit<br />
vollem Mund weiter. „Le-letztes Mal habe <strong>ich</strong> wahrscheinl<strong>ich</strong> mit dem Deckel was<br />
verkehrt gemacht. Als Ru-Rudolf ma-mal musste, hätt’s ihm fast was abgehauen. Eieine<br />
gewisse Ge-gefährl<strong>ich</strong>keit,“, sie hob dozierend ihren rechten Zeigefinger, „lässt<br />
s<strong>ich</strong> ni-n<strong>ich</strong>t leugnen!“<br />
Aber Oma hörte n<strong>ich</strong>t mehr zu. Sie wandte s<strong>ich</strong> mit verklärtem Lächeln und<br />
verschleierten Portweinaugen dem nächsten gefüllten Glas zu.<br />
Mittlerweile war Mitternacht vorbei und die Gesellschaft wurde immer lustiger. Horst<br />
Müller, ein rundl<strong>ich</strong>er Mittdreißiger versuchte auf der Theke mit dem Strohhalm eine<br />
Erdnuss anzusaugen. Das Teil rollte aber immer wieder weg. Die Beobachter, die<br />
Horst umringten, feuerten ihn an und schließl<strong>ich</strong> hatte er sie, die Erdnuss.<br />
„Ah, jetzt ist sie müde!“ Er klatschte freudig in die Hände und entfachte<br />
hemmungslose Heiterkeitsstürme bei seinen Hooligans.<br />
Tim sah kopfschüttelnd zu: „Es ist erstaunl<strong>ich</strong>, womit s<strong>ich</strong> erwachsene Männer<br />
beschäftigen. Und wie wenig dazugehört, sie glückl<strong>ich</strong> zu machen!“